Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Ein Fragment. Was faßt mich für ein Wonnegraus! Hier möcht' ich volle Stunden säumen. Natur! Hier bildetest in leichten Träumen Den eingebornen Engel aus; Hier lag das Kind, mit warmen Leben Den zarten Busen angefüllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte sich das Götterbild! Und du! Was hat dich hergeführt? Wie innig fühl' ich mich gerührt! Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer? Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr. Umgibt mich hier ein Zauberduft? Mich drang's so g'rade zu genießen, Und fühle mich in Liebestraum zerfließen! Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? Und träte sie den Augenblick herein, Wie würdest du für deinen Frevel büßen! Der große Hans, ach wie so klein! Läg', hingeschmolzen, ihr zu Füßen. Ein Fragment. Was faßt mich für ein Wonnegraus! Hier möcht’ ich volle Stunden ſäumen. Natur! Hier bildeteſt in leichten Träumen Den eingebornen Engel aus; Hier lag das Kind, mit warmen Leben Den zarten Buſen angefüllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte ſich das Götterbild! Und du! Was hat dich hergeführt? Wie innig fühl’ ich mich gerührt! Was willſt du hier? Was wird das Herz dir ſchwer? Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr. Umgibt mich hier ein Zauberduft? Mich drang’s ſo g’rade zu genießen, Und fühle mich in Liebestraum zerfließen! Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? Und träte ſie den Augenblick herein, Wie würdeſt du für deinen Frevel büßen! Der große Hans, ach wie ſo klein! Läg’, hingeſchmolzen, ihr zu Füßen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <pb facs="#f0101" n="91"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Fragment</hi>.</fw><lb/> <p>Was faßt mich für ein Wonnegraus!<lb/> Hier möcht’ ich volle Stunden ſäumen.<lb/> Natur! Hier bildeteſt in leichten Träumen<lb/> Den eingebornen Engel aus;<lb/> Hier lag das Kind, mit warmen Leben<lb/> Den zarten Buſen angefüllt,<lb/> Und hier mit heilig reinem Weben<lb/> Entwirkte ſich das Götterbild!</p><lb/> <p>Und du! Was hat dich hergeführt?<lb/> Wie innig fühl’ ich mich gerührt!<lb/> Was willſt du hier? Was wird das Herz dir<lb/> ſchwer?<lb/> Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr.</p><lb/> <p>Umgibt mich hier ein Zauberduft?<lb/> Mich drang’s ſo g’rade zu genießen,<lb/> Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!<lb/> Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?</p><lb/> <p>Und träte ſie den Augenblick herein,<lb/> Wie würdeſt du für deinen Frevel büßen!<lb/> Der große Hans, ach wie ſo klein!<lb/> Läg’, hingeſchmolzen, ihr zu Füßen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0101]
Ein Fragment.
Was faßt mich für ein Wonnegraus!
Hier möcht’ ich volle Stunden ſäumen.
Natur! Hier bildeteſt in leichten Träumen
Den eingebornen Engel aus;
Hier lag das Kind, mit warmen Leben
Den zarten Buſen angefüllt,
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte ſich das Götterbild!
Und du! Was hat dich hergeführt?
Wie innig fühl’ ich mich gerührt!
Was willſt du hier? Was wird das Herz dir
ſchwer?
Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr.
Umgibt mich hier ein Zauberduft?
Mich drang’s ſo g’rade zu genießen,
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
Und träte ſie den Augenblick herein,
Wie würdeſt du für deinen Frevel büßen!
Der große Hans, ach wie ſo klein!
Läg’, hingeſchmolzen, ihr zu Füßen.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faustfragment_1790/101>, abgerufen am 16.02.2025. |