Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.Weislingen. Weislingen. Jch bin so krank, so schwach. Alle meine Gebeine sind hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefressen. Keine Ruh und Rast, weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer giftige Träume. Die vorige Nacht begegnete ich Götzen im Wald. Er zog sein Schwerdt und forder- te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand versagte mir. Da stieß ers in die Scheide, sah mich verächtlich an und gieng hinter mich. -- Er ist gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Mensch! Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du bebst vor seiner Traumgestalt wie ein Missethäter. -- Und soll er sterben? -- Götz! Götz! -- Wir Menschen führen uns nicht selbst, bösen Gei- stern ist Macht über uns gelassen, daß sie ihren höllischen Muthwillen an unserm Verderben üben. (er setzt sich.) -- Matt! Matt! Wie sind mei- ne Nägel so blau. -- Ein kalter kalter verzehrender Schweis lähmt mir jedes Glied. Es dreht mir alles vorm Gesicht. Könnt ich schlafen. Ach -- Marie.
Weislingen. Weislingen. Jch bin ſo krank, ſo ſchwach. Alle meine Gebeine ſind hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefreſſen. Keine Ruh und Raſt, weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer giftige Traͤume. Die vorige Nacht begegnete ich Goͤtzen im Wald. Er zog ſein Schwerdt und forder- te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand verſagte mir. Da ſtieß ers in die Scheide, ſah mich veraͤchtlich an und gieng hinter mich. — Er iſt gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Menſch! Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du bebſt vor ſeiner Traumgeſtalt wie ein Miſſethaͤter. — Und ſoll er ſterben? — Goͤtz! Goͤtz! — Wir Menſchen fuͤhren uns nicht ſelbſt, boͤſen Gei- ſtern iſt Macht uͤber uns gelaſſen, daß ſie ihren hoͤlliſchen Muthwillen an unſerm Verderben uͤben. (er ſetzt ſich.) — Matt! Matt! Wie ſind mei- ne Naͤgel ſo blau. — Ein kalter kalter verzehrender Schweis laͤhmt mir jedes Glied. Es dreht mir alles vorm Geſicht. Koͤnnt ich ſchlafen. Ach — Marie.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#ELI"> <pb facs="#f0196" n="192"/> <fw place="top" type="header"> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </fw> <stage> <hi rendition="#b">Weislingens Schloß.</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <stage> <hi rendition="#b">Weislingen.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#WEI"> <speaker> <hi rendition="#fr">Weislingen.</hi> </speaker> <p>Jch bin ſo krank, ſo ſchwach. Alle<lb/> meine Gebeine ſind hohl. Ein elendes Fieber hat<lb/> das Mark ausgefreſſen. Keine Ruh und Raſt,<lb/> weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer<lb/> giftige Traͤume. Die vorige Nacht begegnete ich<lb/> Goͤtzen im Wald. Er zog ſein Schwerdt und forder-<lb/> te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand<lb/> verſagte mir. Da ſtieß ers in die Scheide, ſah<lb/> mich veraͤchtlich an und gieng hinter mich. — Er<lb/> iſt gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Menſch!<lb/> Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du<lb/> bebſt vor ſeiner Traumgeſtalt wie ein Miſſethaͤter.<lb/> — Und ſoll er ſterben? — Goͤtz! Goͤtz! —<lb/> Wir Menſchen fuͤhren uns nicht ſelbſt, boͤſen Gei-<lb/> ſtern iſt Macht uͤber uns gelaſſen, daß ſie ihren<lb/> hoͤlliſchen Muthwillen an unſerm Verderben uͤben.</p><lb/> <stage>(er ſetzt ſich.)</stage> <p>— Matt! Matt! Wie ſind mei-<lb/> ne Naͤgel ſo blau. — Ein kalter kalter verzehrender<lb/> Schweis laͤhmt mir jedes Glied. Es dreht mir<lb/> alles vorm Geſicht. Koͤnnt ich ſchlafen. Ach —</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Marie.</hi> </fw><lb/> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [192/0196]
Weislingens Schloß.
Weislingen.
Weislingen. Jch bin ſo krank, ſo ſchwach. Alle
meine Gebeine ſind hohl. Ein elendes Fieber hat
das Mark ausgefreſſen. Keine Ruh und Raſt,
weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer
giftige Traͤume. Die vorige Nacht begegnete ich
Goͤtzen im Wald. Er zog ſein Schwerdt und forder-
te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand
verſagte mir. Da ſtieß ers in die Scheide, ſah
mich veraͤchtlich an und gieng hinter mich. — Er
iſt gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Menſch!
Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du
bebſt vor ſeiner Traumgeſtalt wie ein Miſſethaͤter.
— Und ſoll er ſterben? — Goͤtz! Goͤtz! —
Wir Menſchen fuͤhren uns nicht ſelbſt, boͤſen Gei-
ſtern iſt Macht uͤber uns gelaſſen, daß ſie ihren
hoͤlliſchen Muthwillen an unſerm Verderben uͤben.
(er ſetzt ſich.) — Matt! Matt! Wie ſind mei-
ne Naͤgel ſo blau. — Ein kalter kalter verzehrender
Schweis laͤhmt mir jedes Glied. Es dreht mir
alles vorm Geſicht. Koͤnnt ich ſchlafen. Ach —
Marie.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/196 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/196>, abgerufen am 16.07.2024. |