Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Iphigenie auf Tauris
Sie sind gekommen, du bekennest selbst,
Das heil'ge Bild der Görtinn mir zu rauben.
Glaubt ihr, ich sehe dieß gelassen an?
Der Grieche wendet oft sein lüstern Auge
Den fernen Schätzen der Barbaren zu,
Dem goldnen Felle, Pferden, schönen Töch-
tern;
Doch führte sie Gewalt und List nicht immer
Mit den erlangten Gütern glücklich heim.
Orest.
Das Bild, o König, soll uns nicht entzweyen!
Jetzt kennen wir den Irrthum, den ein Gott
Wie einen Schleyer um das Haupt uns legte,
Da er den Weg hierher uns wandern hieß.
Um Rath und um Befreyung bath ich ihn
Von dem Geleit der Furien; er sprach:
"Bringst du die Schwester, die an Tauris
Ufer
Im Heiligthume wider Willen bleibt,
Nach Griechenland; so löset sich der Fluch."
Iphigenie auf Tauris
Sie ſind gekommen, du bekenneſt ſelbſt,
Das heil’ge Bild der Görtinn mir zu rauben.
Glaubt ihr, ich ſehe dieß gelaſſen an?
Der Grieche wendet oft ſein lüſtern Auge
Den fernen Schätzen der Barbaren zu,
Dem goldnen Felle, Pferden, ſchönen Töch-
tern;
Doch führte ſie Gewalt und Liſt nicht immer
Mit den erlangten Gütern glücklich heim.
Oreſt.
Das Bild, o König, ſoll uns nicht entzweyen!
Jetzt kennen wir den Irrthum, den ein Gott
Wie einen Schleyer um das Haupt uns legte,
Da er den Weg hierher uns wandern hieß.
Um Rath und um Befreyung bath ich ihn
Von dem Geleit der Furien; er ſprach:
„Bringſt du die Schweſter, die an Tauris
Ufer
Im Heiligthume wider Willen bleibt,
Nach Griechenland; ſo löſet ſich der Fluch.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#THO">
              <p><pb facs="#f0141" n="132"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi></fw><lb/>
Sie &#x017F;ind gekommen, du bekenne&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
Das heil&#x2019;ge Bild der Görtinn mir zu rauben.<lb/>
Glaubt ihr, ich &#x017F;ehe dieß gela&#x017F;&#x017F;en an?<lb/>
Der Grieche wendet oft &#x017F;ein lü&#x017F;tern Auge<lb/>
Den fernen Schätzen der Barbaren zu,<lb/>
Dem goldnen Felle, Pferden, &#x017F;chönen Töch-<lb/>
tern;<lb/>
Doch führte &#x017F;ie Gewalt und Li&#x017F;t nicht immer<lb/>
Mit den erlangten Gütern glücklich heim.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ORE">
              <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ore&#x017F;t</hi>.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Das Bild, o König, &#x017F;oll uns nicht entzweyen!<lb/>
Jetzt kennen wir den Irrthum, den ein Gott<lb/>
Wie einen Schleyer um das Haupt uns legte,<lb/>
Da er den Weg hierher uns wandern hieß.<lb/>
Um Rath und um Befreyung bath ich ihn<lb/>
Von dem Geleit der Furien; er &#x017F;prach:<lb/>
&#x201E;Bring&#x017F;t du die Schwe&#x017F;ter, die an Tauris<lb/>
Ufer<lb/>
Im Heiligthume wider Willen bleibt,<lb/>
Nach Griechenland; &#x017F;o lö&#x017F;et &#x017F;ich der Fluch.&#x201C;<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0141] Iphigenie auf Tauris Sie ſind gekommen, du bekenneſt ſelbſt, Das heil’ge Bild der Görtinn mir zu rauben. Glaubt ihr, ich ſehe dieß gelaſſen an? Der Grieche wendet oft ſein lüſtern Auge Den fernen Schätzen der Barbaren zu, Dem goldnen Felle, Pferden, ſchönen Töch- tern; Doch führte ſie Gewalt und Liſt nicht immer Mit den erlangten Gütern glücklich heim. Oreſt. Das Bild, o König, ſoll uns nicht entzweyen! Jetzt kennen wir den Irrthum, den ein Gott Wie einen Schleyer um das Haupt uns legte, Da er den Weg hierher uns wandern hieß. Um Rath und um Befreyung bath ich ihn Von dem Geleit der Furien; er ſprach: „Bringſt du die Schweſter, die an Tauris Ufer Im Heiligthume wider Willen bleibt, Nach Griechenland; ſo löſet ſich der Fluch.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/141
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/141>, abgerufen am 21.11.2024.