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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Ein Schauspiel.
Hält vom Verräther sie kein heilig Band,
Der sie dem Vater oder dem Gemahl
Aus langbewährten, treuen Armen lockt;
Und schweigt in ihrer Brust die rasche Gluth,
So dringt auf sie vergebens treu und mächtig
Der Überredung goldne Zunge los.
Iphigenie.
Gedenk, o König, deines edeln Wortes!
Willst du mein Zutrau'n so erwiedern? Du
Schienst vorbereitet, alles zu vernehmen.
Thoes.
Auf's Ungehoffte war ich nicht bereitet;
Doch sollt' ich's auch erwarten: wußt' ich nicht,
Daß ich mit einem Weibe handeln ging?
Iphigenie.
Schilt nicht, o König, unser arm Geschlecht.
Nicht herrlich wie die euern, aber nicht
Unedel sind die Waffen eines Weibes.
Glaub' es, darin bin ich dir vorzuziehn,
Daß ich dein Glück mehr als du selber kenne.
Du wähnest, unbekannt mit dir und mir,
Ein Schauſpiel.
Hält vom Verräther ſie kein heilig Band,
Der ſie dem Vater oder dem Gemahl
Aus langbewährten, treuen Armen lockt;
Und ſchweigt in ihrer Bruſt die raſche Gluth,
So dringt auf ſie vergebens treu und mächtig
Der Überredung goldne Zunge los.
Iphigenie.
Gedenk, o König, deines edeln Wortes!
Willſt du mein Zutrau’n ſo erwiedern? Du
Schienſt vorbereitet, alles zu vernehmen.
Thoes.
Auf’s Ungehoffte war ich nicht bereitet;
Doch ſollt’ ich’s auch erwarten: wußt’ ich nicht,
Daß ich mit einem Weibe handeln ging?
Iphigenie.
Schilt nicht, o König, unſer arm Geſchlecht.
Nicht herrlich wie die euern, aber nicht
Unedel ſind die Waffen eines Weibes.
Glaub’ es, darin bin ich dir vorzuziehn,
Daß ich dein Glück mehr als du ſelber kenne.
Du wähneſt, unbekannt mit dir und mir,
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[29/0038] Ein Schauſpiel. Hält vom Verräther ſie kein heilig Band, Der ſie dem Vater oder dem Gemahl Aus langbewährten, treuen Armen lockt; Und ſchweigt in ihrer Bruſt die raſche Gluth, So dringt auf ſie vergebens treu und mächtig Der Überredung goldne Zunge los. Iphigenie. Gedenk, o König, deines edeln Wortes! Willſt du mein Zutrau’n ſo erwiedern? Du Schienſt vorbereitet, alles zu vernehmen. Thoes. Auf’s Ungehoffte war ich nicht bereitet; Doch ſollt’ ich’s auch erwarten: wußt’ ich nicht, Daß ich mit einem Weibe handeln ging? Iphigenie. Schilt nicht, o König, unſer arm Geſchlecht. Nicht herrlich wie die euern, aber nicht Unedel ſind die Waffen eines Weibes. Glaub’ es, darin bin ich dir vorzuziehn, Daß ich dein Glück mehr als du ſelber kenne. Du wähneſt, unbekannt mit dir und mir,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/38>, abgerufen am 21.11.2024.