Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Orest. Große Thaten? Ja, Ich weiß die Zeit, da wir sie vor uns sahn! Wenn wir zusammen oft dem Wilde nach Durch Berg' und Thäler rannten, und dereinst An Brust und Faust dem hohen Ahnherrn gleich Mit Keul' und Schwert dem Ungeheuer so, Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften; Und dann wir Abends an der weiten See Uns an einander lehnend ruhig saßen, Die Wellen bis zu unsern Füßen spielten, Die Welt so weit, so offen vor uns lag; Da fuhr wohl einer manchmal nach dem Schwert, Und künft'ge Thaten drangen wie die Sterne Rings um uns her unzählig aus der Nacht. Pylades. Unendlich ist das Werk, das zu vollführen Die Seele dringt. Wir möchten jede That So groß gleich thun als wie sie wächst und wird, Wenn Jahre lang durch Länder und Geschlechter Der Mund der Dichter sie vermehrend wälzt. Es klingt so schön was unsre Väter thaten, Ein Schauſpiel. Oreſt. Große Thaten? Ja, Ich weiß die Zeit, da wir ſie vor uns ſahn! Wenn wir zuſammen oft dem Wilde nach Durch Berg’ und Thäler rannten, und dereinſt An Bruſt und Fauſt dem hohen Ahnherrn gleich Mit Keul’ und Schwert dem Ungeheuer ſo, Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften; Und dann wir Abends an der weiten See Uns an einander lehnend ruhig ſaßen, Die Wellen bis zu unſern Füßen ſpielten, Die Welt ſo weit, ſo offen vor uns lag; Da fuhr wohl einer manchmal nach dem Schwert, Und künft’ge Thaten drangen wie die Sterne Rings um uns her unzählig aus der Nacht. Pylades. Unendlich iſt das Werk, das zu vollführen Die Seele dringt. Wir möchten jede That So groß gleich thun als wie ſie wächſt und wird, Wenn Jahre lang durch Länder und Geſchlechter Der Mund der Dichter ſie vermehrend wälzt. Es klingt ſo ſchön was unſre Väter thaten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0050" n="41"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oreſt</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Große Thaten? Ja,</hi><lb/> Ich weiß die Zeit, da wir ſie vor uns ſahn!<lb/> Wenn wir zuſammen oft dem Wilde nach<lb/> Durch Berg’ und Thäler rannten, und dereinſt<lb/> An Bruſt und Fauſt dem hohen Ahnherrn gleich<lb/> Mit Keul’ und Schwert dem Ungeheuer ſo,<lb/> Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften;<lb/> Und dann wir Abends an der weiten See<lb/> Uns an einander lehnend ruhig ſaßen,<lb/> Die Wellen bis zu unſern Füßen ſpielten,<lb/> Die Welt ſo weit, ſo offen vor uns lag;<lb/> Da fuhr wohl einer manchmal nach dem Schwert,<lb/> Und künft’ge Thaten drangen wie die Sterne<lb/> Rings um uns her unzählig aus der Nacht.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Unendlich iſt das Werk, das zu vollführen<lb/> Die Seele dringt. Wir möchten jede That<lb/> So groß gleich thun als wie ſie wächſt und wird,<lb/> Wenn Jahre lang durch Länder und Geſchlechter<lb/> Der Mund der Dichter ſie vermehrend wälzt.<lb/> Es klingt ſo ſchön was unſre Väter thaten,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0050]
Ein Schauſpiel.
Oreſt.
Große Thaten? Ja,
Ich weiß die Zeit, da wir ſie vor uns ſahn!
Wenn wir zuſammen oft dem Wilde nach
Durch Berg’ und Thäler rannten, und dereinſt
An Bruſt und Fauſt dem hohen Ahnherrn gleich
Mit Keul’ und Schwert dem Ungeheuer ſo,
Dem Räuber auf der Spur zu jagen hofften;
Und dann wir Abends an der weiten See
Uns an einander lehnend ruhig ſaßen,
Die Wellen bis zu unſern Füßen ſpielten,
Die Welt ſo weit, ſo offen vor uns lag;
Da fuhr wohl einer manchmal nach dem Schwert,
Und künft’ge Thaten drangen wie die Sterne
Rings um uns her unzählig aus der Nacht.
Pylades.
Unendlich iſt das Werk, das zu vollführen
Die Seele dringt. Wir möchten jede That
So groß gleich thun als wie ſie wächſt und wird,
Wenn Jahre lang durch Länder und Geſchlechter
Der Mund der Dichter ſie vermehrend wälzt.
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