Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Um eine dunkle Blume, jeden TagUm mich mit neuem Leben gaukeltest, Mir deine Lust in meine Seele spieltest, Daß ich, vergessend meiner Noth, mit dir In rascher Jugend hingerissen schwärmte. Pylades. Da fing mein Leben an, als ich dich liebte. Orest. Sag: meine Noth begann, und du sprichst wahr. Das ist das Ängstliche von meinem Schicksal, Daß ich, wie ein verpesteter Vertriebner, Geheimen Schmerz und Tod im Busen trage; Daß, wo ich den gesund'sten Ort betrete, Gar bald um mich die blühenden Gesichter Den Schmerzenszug langsamen Tod's verrathen. Pylades. Der nächste wär' ich diesen Tod zu sterben, Wenn je dein Hauch, Orest, vergiftete. Bin ich nicht immer noch voll Muth und Lust? Und Lust und Liebe sind die Fittige Zu großen Thaten. Iphigenie auf Tauris Um eine dunkle Blume, jeden TagUm mich mit neuem Leben gaukelteſt, Mir deine Luſt in meine Seele ſpielteſt, Daß ich, vergeſſend meiner Noth, mit dir In raſcher Jugend hingeriſſen ſchwärmte. Pylades. Da fing mein Leben an, als ich dich liebte. Oreſt. Sag: meine Noth begann, und du ſprichſt wahr. Das iſt das Ängſtliche von meinem Schickſal, Daß ich, wie ein verpeſteter Vertriebner, Geheimen Schmerz und Tod im Buſen trage; Daß, wo ich den geſund’ſten Ort betrete, Gar bald um mich die blühenden Geſichter Den Schmerzenszug langſamen Tod’s verrathen. Pylades. Der nächſte wär’ ich dieſen Tod zu ſterben, Wenn je dein Hauch, Oreſt, vergiftete. Bin ich nicht immer noch voll Muth und Luſt? Und Luſt und Liebe ſind die Fittige Zu großen Thaten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#ORE"> <p><pb facs="#f0049" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi></fw><lb/> Um eine dunkle Blume, jeden Tag<lb/> Um mich mit neuem Leben gaukelteſt,<lb/> Mir deine Luſt in meine Seele ſpielteſt,<lb/> Daß ich, vergeſſend meiner Noth, mit dir<lb/> In raſcher Jugend hingeriſſen ſchwärmte.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Da fing mein Leben an, als ich dich liebte.</p> </sp><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oreſt</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Sag: meine Noth begann, und du ſprichſt wahr.<lb/> Das iſt das Ängſtliche von meinem Schickſal,<lb/> Daß ich, wie ein verpeſteter Vertriebner,<lb/> Geheimen Schmerz und Tod im Buſen trage;<lb/> Daß, wo ich den geſund’ſten Ort betrete,<lb/> Gar bald um mich die blühenden Geſichter<lb/> Den Schmerzenszug langſamen Tod’s verrathen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Der nächſte wär’ ich dieſen Tod zu ſterben,<lb/> Wenn je dein Hauch, Oreſt, vergiftete.<lb/> Bin ich nicht immer noch voll Muth und Luſt?<lb/> Und Luſt und Liebe ſind die Fittige<lb/> Zu großen Thaten.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0049]
Iphigenie auf Tauris
Um eine dunkle Blume, jeden Tag
Um mich mit neuem Leben gaukelteſt,
Mir deine Luſt in meine Seele ſpielteſt,
Daß ich, vergeſſend meiner Noth, mit dir
In raſcher Jugend hingeriſſen ſchwärmte.
Pylades.
Da fing mein Leben an, als ich dich liebte.
Oreſt.
Sag: meine Noth begann, und du ſprichſt wahr.
Das iſt das Ängſtliche von meinem Schickſal,
Daß ich, wie ein verpeſteter Vertriebner,
Geheimen Schmerz und Tod im Buſen trage;
Daß, wo ich den geſund’ſten Ort betrete,
Gar bald um mich die blühenden Geſichter
Den Schmerzenszug langſamen Tod’s verrathen.
Pylades.
Der nächſte wär’ ich dieſen Tod zu ſterben,
Wenn je dein Hauch, Oreſt, vergiftete.
Bin ich nicht immer noch voll Muth und Luſt?
Und Luſt und Liebe ſind die Fittige
Zu großen Thaten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |