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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Alles bisher Vorgetragene deutet auf jenen
glücklichen und gemächlichen Zustand, in wel¬
chem sich die Länder während eines langen
Friedens befinden. Nirgends aber genießt man
eine solche schöne Zeit wohl mit größerem
Behagen als in Städten, die nach ihren ei¬
genen Gesetzen leben, die groß genug sind,
eine ansehnliche Menge Bürger zu fassen,
und wohl gelegen, um sie durch Handel und
Wandel zu bereichern. Fremde finden ihren
Gewinn, da aus- und einzuziehen, und sind
genöthigt Vortheil zu bringen, um Vortheil
zu erlangen. Beherrschen solche Städte auch
kein weites Gebiet, so können sie destomehr
im Innern Wohlhäbigkeit bewirken, weil ih¬
re Verhältnisse nach außen sie nicht zu kost¬
spieligen Unternehmungen oder Theilnahmen
verpflichten.

Alles bisher Vorgetragene deutet auf jenen
gluͤcklichen und gemaͤchlichen Zuſtand, in wel¬
chem ſich die Laͤnder waͤhrend eines langen
Friedens befinden. Nirgends aber genießt man
eine ſolche ſchoͤne Zeit wohl mit groͤßerem
Behagen als in Staͤdten, die nach ihren ei¬
genen Geſetzen leben, die groß genug ſind,
eine anſehnliche Menge Buͤrger zu faſſen,
und wohl gelegen, um ſie durch Handel und
Wandel zu bereichern. Fremde finden ihren
Gewinn, da aus- und einzuziehen, und ſind
genoͤthigt Vortheil zu bringen, um Vortheil
zu erlangen. Beherrſchen ſolche Staͤdte auch
kein weites Gebiet, ſo koͤnnen ſie deſtomehr
im Innern Wohlhaͤbigkeit bewirken, weil ih¬
re Verhaͤltniſſe nach außen ſie nicht zu koſt¬
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[[91]/0107] Alles bisher Vorgetragene deutet auf jenen gluͤcklichen und gemaͤchlichen Zuſtand, in wel¬ chem ſich die Laͤnder waͤhrend eines langen Friedens befinden. Nirgends aber genießt man eine ſolche ſchoͤne Zeit wohl mit groͤßerem Behagen als in Staͤdten, die nach ihren ei¬ genen Geſetzen leben, die groß genug ſind, eine anſehnliche Menge Buͤrger zu faſſen, und wohl gelegen, um ſie durch Handel und Wandel zu bereichern. Fremde finden ihren Gewinn, da aus- und einzuziehen, und ſind genoͤthigt Vortheil zu bringen, um Vortheil zu erlangen. Beherrſchen ſolche Staͤdte auch kein weites Gebiet, ſo koͤnnen ſie deſtomehr im Innern Wohlhaͤbigkeit bewirken, weil ih¬ re Verhaͤltniſſe nach außen ſie nicht zu koſt¬ ſpieligen Unternehmungen oder Theilnahmen verpflichten.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. [91]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/107>, abgerufen am 17.05.2024.