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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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geben. Ich wollte darnach greifen; er aber
zog zurück und sagte: "Du mußt erst wissen,
daß sie nicht für dich sind. Du sollst sie
den drey schönsten jungen Leuten von der
Stadt geben, welche sodann, jeder nach sei¬
nem Loose, Gattinnen finden sollen, wie sie
solche nur wünschen können. Nimm, und
mach deine Sachen gut!" sagte er scheidend,
und gab mir die Aepfel in meine offnen
Hände; sie schienen mir noch größer gewor¬
den zu seyn. Ich hielt sie darauf in die Hö¬
he, gegen das Licht, und fand sie ganz durch¬
sichtig; aber gar bald zogen sie sich aufwärts
in die Länge und wurden zu drey schönen,
schönen Frauenzimmerchen in mäßiger Pup¬
pengröße, deren Kleider von der Farbe der
vorherigen Aepfel waren. So gleiteten sie
sacht an meinen Fingern hinauf, und als ich
nach ihnen haschen wollte, um wenigstens
eine festzuhalten, schwebten sie schon weit in
der Höhe und Ferne, daß ich nichts als das
Nachsehen hatte. Ich stand ganz verwundert

geben. Ich wollte darnach greifen; er aber
zog zuruͤck und ſagte: „Du mußt erſt wiſſen,
daß ſie nicht fuͤr dich ſind. Du ſollſt ſie
den drey ſchoͤnſten jungen Leuten von der
Stadt geben, welche ſodann, jeder nach ſei¬
nem Looſe, Gattinnen finden ſollen, wie ſie
ſolche nur wuͤnſchen koͤnnen. Nimm, und
mach deine Sachen gut!“ ſagte er ſcheidend,
und gab mir die Aepfel in meine offnen
Haͤnde; ſie ſchienen mir noch groͤßer gewor¬
den zu ſeyn. Ich hielt ſie darauf in die Hoͤ¬
he, gegen das Licht, und fand ſie ganz durch¬
ſichtig; aber gar bald zogen ſie ſich aufwaͤrts
in die Laͤnge und wurden zu drey ſchoͤnen,
ſchoͤnen Frauenzimmerchen in maͤßiger Pup¬
pengroͤße, deren Kleider von der Farbe der
vorherigen Aepfel waren. So gleiteten ſie
ſacht an meinen Fingern hinauf, und als ich
nach ihnen haſchen wollte, um wenigſtens
eine feſtzuhalten, ſchwebten ſie ſchon weit in
der Hoͤhe und Ferne, daß ich nichts als das
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[107/0123] geben. Ich wollte darnach greifen; er aber zog zuruͤck und ſagte: „Du mußt erſt wiſſen, daß ſie nicht fuͤr dich ſind. Du ſollſt ſie den drey ſchoͤnſten jungen Leuten von der Stadt geben, welche ſodann, jeder nach ſei¬ nem Looſe, Gattinnen finden ſollen, wie ſie ſolche nur wuͤnſchen koͤnnen. Nimm, und mach deine Sachen gut!“ ſagte er ſcheidend, und gab mir die Aepfel in meine offnen Haͤnde; ſie ſchienen mir noch groͤßer gewor¬ den zu ſeyn. Ich hielt ſie darauf in die Hoͤ¬ he, gegen das Licht, und fand ſie ganz durch¬ ſichtig; aber gar bald zogen ſie ſich aufwaͤrts in die Laͤnge und wurden zu drey ſchoͤnen, ſchoͤnen Frauenzimmerchen in maͤßiger Pup¬ pengroͤße, deren Kleider von der Farbe der vorherigen Aepfel waren. So gleiteten ſie ſacht an meinen Fingern hinauf, und als ich nach ihnen haſchen wollte, um wenigſtens eine feſtzuhalten, ſchwebten ſie ſchon weit in der Hoͤhe und Ferne, daß ich nichts als das Nachſehen hatte. Ich ſtand ganz verwundert

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/123>, abgerufen am 21.11.2024.