als auf einmal zischende Wasser von allen Seiten her, aus Steinen und Mauern, aus Boden und Zweigen hervorsprühten, und wo ich mich hinwendete, kreuzweise auf mich lospeitschten. Mein leichtes Gewand war in kurzer Zeit völlig durchnäßt; zerschlitzt war es schon, und ich säumte nicht, es mir ganz vom Leibe zu reißen. Die Pantoffeln warf ich von mir, und so eine Hülle nach der an¬ dern; ja ich fand es endlich bey dem warmen Tage sehr angenehm, ein solches Strahlbad über mich ergehen zu lassen. Ganz nackt schritt ich nun gravitätisch zwischen diesen willkommen Gewässern einher, und dachte mich lange so wohl befinden zu können. Mein Zorn verkühlte sich, und ich wünschte nichts mehr als eine Versöhnung mit meiner kleinen Gegnerinn. Doch in einem Nu schnappten die Wasser ab, und ich stand nun feucht auf einem durchnäßten Boden. Die Gegenwart des alten Mannes, der unvermuthet vor mich trat, war mir kei¬ neswegs willkommen; ich hätte gewünscht, mich
als auf einmal ziſchende Waſſer von allen Seiten her, aus Steinen und Mauern, aus Boden und Zweigen hervorſpruͤhten, und wo ich mich hinwendete, kreuzweiſe auf mich lospeitſchten. Mein leichtes Gewand war in kurzer Zeit voͤllig durchnaͤßt; zerſchlitzt war es ſchon, und ich ſaͤumte nicht, es mir ganz vom Leibe zu reißen. Die Pantoffeln warf ich von mir, und ſo eine Huͤlle nach der an¬ dern; ja ich fand es endlich bey dem warmen Tage ſehr angenehm, ein ſolches Strahlbad uͤber mich ergehen zu laſſen. Ganz nackt ſchritt ich nun gravitaͤtiſch zwiſchen dieſen willkommen Gewaͤſſern einher, und dachte mich lange ſo wohl befinden zu koͤnnen. Mein Zorn verkuͤhlte ſich, und ich wuͤnſchte nichts mehr als eine Verſoͤhnung mit meiner kleinen Gegnerinn. Doch in einem Nu ſchnappten die Waſſer ab, und ich ſtand nun feucht auf einem durchnaͤßten Boden. Die Gegenwart des alten Mannes, der unvermuthet vor mich trat, war mir kei¬ neswegs willkommen; ich haͤtte gewuͤnſcht, mich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0149"n="133"/>
als auf einmal ziſchende Waſſer von allen<lb/>
Seiten her, aus Steinen und Mauern, aus<lb/>
Boden und Zweigen hervorſpruͤhten, und<lb/>
wo ich mich hinwendete, kreuzweiſe auf mich<lb/>
lospeitſchten. Mein leichtes Gewand war in<lb/>
kurzer Zeit voͤllig durchnaͤßt; zerſchlitzt war<lb/>
es ſchon, und ich ſaͤumte nicht, es mir ganz<lb/>
vom Leibe zu reißen. Die Pantoffeln warf<lb/>
ich von mir, und ſo eine Huͤlle nach der an¬<lb/>
dern; ja ich fand es endlich bey dem warmen<lb/>
Tage ſehr angenehm, ein ſolches Strahlbad<lb/>
uͤber mich ergehen zu laſſen. Ganz nackt ſchritt<lb/>
ich nun gravitaͤtiſch zwiſchen dieſen willkommen<lb/>
Gewaͤſſern einher, und dachte mich lange ſo<lb/>
wohl befinden zu koͤnnen. Mein Zorn verkuͤhlte<lb/>ſich, und ich wuͤnſchte nichts mehr als eine<lb/>
Verſoͤhnung mit meiner kleinen Gegnerinn.<lb/>
Doch in einem Nu ſchnappten die Waſſer ab,<lb/>
und ich ſtand nun feucht auf einem durchnaͤßten<lb/>
Boden. Die Gegenwart des alten Mannes,<lb/>
der unvermuthet vor mich trat, war mir kei¬<lb/>
neswegs willkommen; ich haͤtte gewuͤnſcht, mich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[133/0149]
als auf einmal ziſchende Waſſer von allen
Seiten her, aus Steinen und Mauern, aus
Boden und Zweigen hervorſpruͤhten, und
wo ich mich hinwendete, kreuzweiſe auf mich
lospeitſchten. Mein leichtes Gewand war in
kurzer Zeit voͤllig durchnaͤßt; zerſchlitzt war
es ſchon, und ich ſaͤumte nicht, es mir ganz
vom Leibe zu reißen. Die Pantoffeln warf
ich von mir, und ſo eine Huͤlle nach der an¬
dern; ja ich fand es endlich bey dem warmen
Tage ſehr angenehm, ein ſolches Strahlbad
uͤber mich ergehen zu laſſen. Ganz nackt ſchritt
ich nun gravitaͤtiſch zwiſchen dieſen willkommen
Gewaͤſſern einher, und dachte mich lange ſo
wohl befinden zu koͤnnen. Mein Zorn verkuͤhlte
ſich, und ich wuͤnſchte nichts mehr als eine
Verſoͤhnung mit meiner kleinen Gegnerinn.
Doch in einem Nu ſchnappten die Waſſer ab,
und ich ſtand nun feucht auf einem durchnaͤßten
Boden. Die Gegenwart des alten Mannes,
der unvermuthet vor mich trat, war mir kei¬
neswegs willkommen; ich haͤtte gewuͤnſcht, mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/149>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.