Absicht, und weil ich das Ende der Stunde nahe glaubte, so setzte ich aus dem Stegreife bey mir fest, mich bis zum Glockenschlage nicht zu wehren. Sie fingen darauf unbarm¬ herzig an, mir die Beine und Waden auf das grausamste zu peitschen. Ich rührte mich nicht, fühlte aber bald, daß ich mich verrechnet hatte, und daß ein solcher Schmerz die Minuten sehr verlängert. Mit der Dul¬ dung wuchs meine Wuth, und mit dem er¬ sten Stundenschlag fuhr ich dem einen, der sich's am wenigsten versah, mit der Hand in die Nackenhaare und stürzte ihn augen¬ blicklich zu Boden, indem ich mit dem Knie seinen Rücken druckte; den andern, einen jüngeren und schwächeren, der mich von hin¬ ten anfiel, zog ich bey dem Kopfe durch den Arm und erdrosselte ihn fast, indem ich ihn an mich preßte. Nun war der letzte noch übrig und nicht der schwächste, und mir blieb nur die linke Hand zu meiner Verthei¬ digung. Allein ich ergriff ihn beym Kleide,
Abſicht, und weil ich das Ende der Stunde nahe glaubte, ſo ſetzte ich aus dem Stegreife bey mir feſt, mich bis zum Glockenſchlage nicht zu wehren. Sie fingen darauf unbarm¬ herzig an, mir die Beine und Waden auf das grauſamſte zu peitſchen. Ich ruͤhrte mich nicht, fuͤhlte aber bald, daß ich mich verrechnet hatte, und daß ein ſolcher Schmerz die Minuten ſehr verlaͤngert. Mit der Dul¬ dung wuchs meine Wuth, und mit dem er¬ ſten Stundenſchlag fuhr ich dem einen, der ſich's am wenigſten verſah, mit der Hand in die Nackenhaare und ſtuͤrzte ihn augen¬ blicklich zu Boden, indem ich mit dem Knie ſeinen Ruͤcken druckte; den andern, einen juͤngeren und ſchwaͤcheren, der mich von hin¬ ten anfiel, zog ich bey dem Kopfe durch den Arm und erdroſſelte ihn faſt, indem ich ihn an mich preßte. Nun war der letzte noch uͤbrig und nicht der ſchwaͤchſte, und mir blieb nur die linke Hand zu meiner Verthei¬ digung. Allein ich ergriff ihn beym Kleide,
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Abſicht, und weil ich das Ende der Stunde
nahe glaubte, ſo ſetzte ich aus dem Stegreife
bey mir feſt, mich bis zum Glockenſchlage
nicht zu wehren. Sie fingen darauf unbarm¬
herzig an, mir die Beine und Waden auf
das grauſamſte zu peitſchen. Ich ruͤhrte
mich nicht, fuͤhlte aber bald, daß ich mich
verrechnet hatte, und daß ein ſolcher Schmerz
die Minuten ſehr verlaͤngert. Mit der Dul¬
dung wuchs meine Wuth, und mit dem er¬
ſten Stundenſchlag fuhr ich dem einen, der
ſich's am wenigſten verſah, mit der Hand
in die Nackenhaare und ſtuͤrzte ihn augen¬
blicklich zu Boden, indem ich mit dem Knie
ſeinen Ruͤcken druckte; den andern, einen
juͤngeren und ſchwaͤcheren, der mich von hin¬
ten anfiel, zog ich bey dem Kopfe durch den
Arm und erdroſſelte ihn faſt, indem ich ihn
an mich preßte. Nun war der letzte noch
uͤbrig und nicht der ſchwaͤchſte, und mir
blieb nur die linke Hand zu meiner Verthei¬
digung. Allein ich ergriff ihn beym Kleide,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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