Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

es in kindischen Dingen zu geschehen pflegt,
bald wieder vergaß und sogar belachte, war
jedoch Ursache, daß diese gemeinsamen Unter¬
richtsstunden seltner wurden und zuletzt ganz
aufhörten. Ich war also wieder wie vorher
mehr ins Haus gebannt, wo ich an meiner
Schwester Cornelia, die nur ein Jahr
weniger zählte als ich, eine an Annehmlich¬
keit immer wachsende Gesellschafterinn fand.

Ich will jedoch diesen Gegenstand nicht
verlassen, ohne noch einige Geschichten zu er¬
zählen, wie mancherley Unangenehmes mir
von meinen Gespielen begegnet: denn das ist
ja eben das Lehrreiche solcher sittlichen Mit¬
theilungen, daß der Mensch erfahre, wie es
andern ergangen, und was auch er vom Le¬
ben zu erwarten habe, und daß er, es mag
sich ereignen was will, bedenke, dieses wi¬
derfahre ihm als Menschen und nicht als
einem besonders Glücklichen oder Unglücklichen.
Nützt ein solches Wissen nicht viel, um die

I. 10

es in kindiſchen Dingen zu geſchehen pflegt,
bald wieder vergaß und ſogar belachte, war
jedoch Urſache, daß dieſe gemeinſamen Unter¬
richtsſtunden ſeltner wurden und zuletzt ganz
aufhoͤrten. Ich war alſo wieder wie vorher
mehr ins Haus gebannt, wo ich an meiner
Schweſter Cornelia, die nur ein Jahr
weniger zaͤhlte als ich, eine an Annehmlich¬
keit immer wachſende Geſellſchafterinn fand.

Ich will jedoch dieſen Gegenſtand nicht
verlaſſen, ohne noch einige Geſchichten zu er¬
zaͤhlen, wie mancherley Unangenehmes mir
von meinen Geſpielen begegnet: denn das iſt
ja eben das Lehrreiche ſolcher ſittlichen Mit¬
theilungen, daß der Menſch erfahre, wie es
andern ergangen, und was auch er vom Le¬
ben zu erwarten habe, und daß er, es mag
ſich ereignen was will, bedenke, dieſes wi¬
derfahre ihm als Menſchen und nicht als
einem beſonders Gluͤcklichen oder Ungluͤcklichen.
Nuͤtzt ein ſolches Wiſſen nicht viel, um die

I. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="145"/>
es in kindi&#x017F;chen Dingen zu ge&#x017F;chehen pflegt,<lb/>
bald wieder vergaß und &#x017F;ogar belachte, war<lb/>
jedoch Ur&#x017F;ache, daß die&#x017F;e gemein&#x017F;amen Unter¬<lb/>
richts&#x017F;tunden &#x017F;eltner wurden und zuletzt ganz<lb/>
aufho&#x0364;rten. Ich war al&#x017F;o wieder wie vorher<lb/>
mehr ins Haus gebannt, wo ich an meiner<lb/>
Schwe&#x017F;ter <hi rendition="#g">Cornelia</hi>, die nur ein Jahr<lb/>
weniger za&#x0364;hlte als ich, eine an Annehmlich¬<lb/>
keit immer wach&#x017F;ende Ge&#x017F;ell&#x017F;chafterinn fand.</p><lb/>
          <p>Ich will jedoch die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand nicht<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, ohne noch einige Ge&#x017F;chichten zu er¬<lb/>
za&#x0364;hlen, wie mancherley Unangenehmes mir<lb/>
von meinen Ge&#x017F;pielen begegnet: denn das i&#x017F;t<lb/>
ja eben das Lehrreiche &#x017F;olcher &#x017F;ittlichen Mit¬<lb/>
theilungen, daß der Men&#x017F;ch erfahre, wie es<lb/>
andern ergangen, und was auch er vom Le¬<lb/>
ben zu erwarten habe, und daß er, es mag<lb/>
&#x017F;ich ereignen was will, bedenke, die&#x017F;es wi¬<lb/>
derfahre ihm als Men&#x017F;chen und nicht als<lb/>
einem be&#x017F;onders Glu&#x0364;cklichen oder Unglu&#x0364;cklichen.<lb/>
Nu&#x0364;tzt ein &#x017F;olches Wi&#x017F;&#x017F;en nicht viel, um die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I. 10<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0161] es in kindiſchen Dingen zu geſchehen pflegt, bald wieder vergaß und ſogar belachte, war jedoch Urſache, daß dieſe gemeinſamen Unter¬ richtsſtunden ſeltner wurden und zuletzt ganz aufhoͤrten. Ich war alſo wieder wie vorher mehr ins Haus gebannt, wo ich an meiner Schweſter Cornelia, die nur ein Jahr weniger zaͤhlte als ich, eine an Annehmlich¬ keit immer wachſende Geſellſchafterinn fand. Ich will jedoch dieſen Gegenſtand nicht verlaſſen, ohne noch einige Geſchichten zu er¬ zaͤhlen, wie mancherley Unangenehmes mir von meinen Geſpielen begegnet: denn das iſt ja eben das Lehrreiche ſolcher ſittlichen Mit¬ theilungen, daß der Menſch erfahre, wie es andern ergangen, und was auch er vom Le¬ ben zu erwarten habe, und daß er, es mag ſich ereignen was will, bedenke, dieſes wi¬ derfahre ihm als Menſchen und nicht als einem beſonders Gluͤcklichen oder Ungluͤcklichen. Nuͤtzt ein ſolches Wiſſen nicht viel, um die I. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/161
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/161>, abgerufen am 24.11.2024.