Uebel zu vermeiden, so ist es doch sehr dien¬ lich, daß wir uns in die Zustände finden, sie ertragen, ja sie überwinden lernen.
Noch eine allgemeine Bemerkung steht hier an der rechten Stelle, daß nämlich bey dem Emporwachsen der Kinder aus den ge¬ sitteten Ständen ein sehr großer Widerspruch zum Vorschein kommt, ich meyne den, daß sie von Aeltern und Lehrern angemahnt und angeleitet werden, sich mäßig, verständig, ja vernünftig zu betragen, Niemanden aus Muthwillen oder Uebermuth ein Leids zuzu¬ fügen und alle gehässigen Regungen, die sich an ihnen entwickeln möchten, zu unterdrü¬ cken; daß nun aber im Gegentheil, während die jungen Geschöpfe mit einer solchen Ue¬ bung beschäftigt sind, sie von andern das zu leiden haben, was an ihnen gescholten wird und höchlich verpönt ist. Dadurch kommen die armen Wesen zwischen dem Naturzustande und dem der Civilisation gar erbärmlich in
Uebel zu vermeiden, ſo iſt es doch ſehr dien¬ lich, daß wir uns in die Zuſtaͤnde finden, ſie ertragen, ja ſie uͤberwinden lernen.
Noch eine allgemeine Bemerkung ſteht hier an der rechten Stelle, daß naͤmlich bey dem Emporwachſen der Kinder aus den ge¬ ſitteten Staͤnden ein ſehr großer Widerſpruch zum Vorſchein kommt, ich meyne den, daß ſie von Aeltern und Lehrern angemahnt und angeleitet werden, ſich maͤßig, verſtaͤndig, ja vernuͤnftig zu betragen, Niemanden aus Muthwillen oder Uebermuth ein Leids zuzu¬ fuͤgen und alle gehaͤſſigen Regungen, die ſich an ihnen entwickeln moͤchten, zu unterdruͤ¬ cken; daß nun aber im Gegentheil, waͤhrend die jungen Geſchoͤpfe mit einer ſolchen Ue¬ bung beſchaͤftigt ſind, ſie von andern das zu leiden haben, was an ihnen geſcholten wird und hoͤchlich verpoͤnt iſt. Dadurch kommen die armen Weſen zwiſchen dem Naturzuſtande und dem der Civiliſation gar erbaͤrmlich in
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Uebel zu vermeiden, ſo iſt es doch ſehr dien¬
lich, daß wir uns in die Zuſtaͤnde finden,
ſie ertragen, ja ſie uͤberwinden lernen.
Noch eine allgemeine Bemerkung ſteht
hier an der rechten Stelle, daß naͤmlich bey
dem Emporwachſen der Kinder aus den ge¬
ſitteten Staͤnden ein ſehr großer Widerſpruch
zum Vorſchein kommt, ich meyne den, daß
ſie von Aeltern und Lehrern angemahnt und
angeleitet werden, ſich maͤßig, verſtaͤndig,
ja vernuͤnftig zu betragen, Niemanden aus
Muthwillen oder Uebermuth ein Leids zuzu¬
fuͤgen und alle gehaͤſſigen Regungen, die ſich
an ihnen entwickeln moͤchten, zu unterdruͤ¬
cken; daß nun aber im Gegentheil, waͤhrend
die jungen Geſchoͤpfe mit einer ſolchen Ue¬
bung beſchaͤftigt ſind, ſie von andern das zu
leiden haben, was an ihnen geſcholten wird
und hoͤchlich verpoͤnt iſt. Dadurch kommen
die armen Weſen zwiſchen dem Naturzuſtande
und dem der Civiliſation gar erbaͤrmlich in
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/162>, abgerufen am 21.11.2024.
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