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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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die Klemme, und werden, je nachdem die
Charakter sind, entweder tückisch, oder ge¬
waltsam aufbrausend, wenn sie eine Zeitlang
an sich gehalten haben.

Gewalt ist eher mit Gewalt zu vertrei¬
ben; aber ein gut gesinntes, zur Liebe und
Theilnahme geneigtes Kind weiß dem Hohn
und dem bösen Willen wenig entgegenzusetzen.
Wenn ich die Thätlichkeiten meiner Gesellen
so ziemlich abzuhalten wußte; so war ich
doch keineswegs ihren Sticheleyen und Mis¬
reden gewachsen, weil in solchen Fällen der¬
jenige, der sich vertheidigt, immer verlieren
muß. Es wurden also auch Angriffe dieser
Art, in sofern sie zum Zorn reizten, mit
physischen Kräften zurückgewiesen, oder sie
regten wundersame Betrachtungen in mir auf,
die denn nicht ohne Folgen bleiben konnten.
Unter andern Vorzügen misgönnten mir die
Uebelwollenden auch, daß ich mir in einem
Verhältniß gefiel, welches aus dem Schult¬

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die Klemme, und werden, je nachdem die
Charakter ſind, entweder tuͤckiſch, oder ge¬
waltſam aufbrauſend, wenn ſie eine Zeitlang
an ſich gehalten haben.

Gewalt iſt eher mit Gewalt zu vertrei¬
ben; aber ein gut geſinntes, zur Liebe und
Theilnahme geneigtes Kind weiß dem Hohn
und dem boͤſen Willen wenig entgegenzuſetzen.
Wenn ich die Thaͤtlichkeiten meiner Geſellen
ſo ziemlich abzuhalten wußte; ſo war ich
doch keineswegs ihren Sticheleyen und Mis¬
reden gewachſen, weil in ſolchen Faͤllen der¬
jenige, der ſich vertheidigt, immer verlieren
muß. Es wurden alſo auch Angriffe dieſer
Art, in ſofern ſie zum Zorn reizten, mit
phyſiſchen Kraͤften zuruͤckgewieſen, oder ſie
regten wunderſame Betrachtungen in mir auf,
die denn nicht ohne Folgen bleiben konnten.
Unter andern Vorzuͤgen misgoͤnnten mir die
Uebelwollenden auch, daß ich mir in einem
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[147/0163] die Klemme, und werden, je nachdem die Charakter ſind, entweder tuͤckiſch, oder ge¬ waltſam aufbrauſend, wenn ſie eine Zeitlang an ſich gehalten haben. Gewalt iſt eher mit Gewalt zu vertrei¬ ben; aber ein gut geſinntes, zur Liebe und Theilnahme geneigtes Kind weiß dem Hohn und dem boͤſen Willen wenig entgegenzuſetzen. Wenn ich die Thaͤtlichkeiten meiner Geſellen ſo ziemlich abzuhalten wußte; ſo war ich doch keineswegs ihren Sticheleyen und Mis¬ reden gewachſen, weil in ſolchen Faͤllen der¬ jenige, der ſich vertheidigt, immer verlieren muß. Es wurden alſo auch Angriffe dieſer Art, in ſofern ſie zum Zorn reizten, mit phyſiſchen Kraͤften zuruͤckgewieſen, oder ſie regten wunderſame Betrachtungen in mir auf, die denn nicht ohne Folgen bleiben konnten. Unter andern Vorzuͤgen misgoͤnnten mir die Uebelwollenden auch, daß ich mir in einem Verhaͤltniß gefiel, welches aus dem Schult¬ 10 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/163>, abgerufen am 21.11.2024.