Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Der gute Chirurgus erschrak und goß dem
Vater das Seifenbecken in die Brust. Da
gab es einen großen Aufstand, und eine stren¬
ge Untersuchung ward gehalten, besonders in
Betracht des Unglücks das hätte entstehen
können, wenn man schon im Rasiren begrif¬
fen gewesen wäre. Um allen Verdacht des
Muthwillens von uns abzulehnen, bekannten
wir uns zu unsern teuflischen Rollen, und
das Unglück das die Hexameter angerichtet
hatten, war zu offenbar, als daß man sie
nicht aufs neue hätte verrufen und verbannen
sollen.

So pflegen Kinder und Volk das Große,
das Erhabene in ein Spiel, ja in eine Posse
zu verwandeln; und wie sollten sie auch sonst
im Stande seyn es auszuhalten und zu er¬
tragen.


Der gute Chirurgus erſchrak und goß dem
Vater das Seifenbecken in die Bruſt. Da
gab es einen großen Aufſtand, und eine ſtren¬
ge Unterſuchung ward gehalten, beſonders in
Betracht des Ungluͤcks das haͤtte entſtehen
koͤnnen, wenn man ſchon im Raſiren begrif¬
fen geweſen waͤre. Um allen Verdacht des
Muthwillens von uns abzulehnen, bekannten
wir uns zu unſern teufliſchen Rollen, und
das Ungluͤck das die Hexameter angerichtet
hatten, war zu offenbar, als daß man ſie
nicht aufs neue haͤtte verrufen und verbannen
ſollen.

So pflegen Kinder und Volk das Große,
das Erhabene in ein Spiel, ja in eine Poſſe
zu verwandeln; und wie ſollten ſie auch ſonſt
im Stande ſeyn es auszuhalten und zu er¬
tragen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0196" n="180"/>
          <p>Der gute Chirurgus er&#x017F;chrak und goß dem<lb/>
Vater das Seifenbecken in die Bru&#x017F;t. Da<lb/>
gab es einen großen Auf&#x017F;tand, und eine &#x017F;tren¬<lb/>
ge Unter&#x017F;uchung ward gehalten, be&#x017F;onders in<lb/>
Betracht des Unglu&#x0364;cks das ha&#x0364;tte ent&#x017F;tehen<lb/>
ko&#x0364;nnen, wenn man &#x017F;chon im Ra&#x017F;iren begrif¬<lb/>
fen gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Um allen Verdacht des<lb/>
Muthwillens von uns abzulehnen, bekannten<lb/>
wir uns zu un&#x017F;ern teufli&#x017F;chen Rollen, und<lb/>
das Unglu&#x0364;ck das die Hexameter angerichtet<lb/>
hatten, war zu offenbar, als daß man &#x017F;ie<lb/>
nicht aufs neue ha&#x0364;tte verrufen und verbannen<lb/>
&#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>So pflegen Kinder und Volk das Große,<lb/>
das Erhabene in ein Spiel, ja in eine Po&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu verwandeln; und wie &#x017F;ollten &#x017F;ie auch &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
im Stande &#x017F;eyn es auszuhalten und zu er¬<lb/>
tragen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0196] Der gute Chirurgus erſchrak und goß dem Vater das Seifenbecken in die Bruſt. Da gab es einen großen Aufſtand, und eine ſtren¬ ge Unterſuchung ward gehalten, beſonders in Betracht des Ungluͤcks das haͤtte entſtehen koͤnnen, wenn man ſchon im Raſiren begrif¬ fen geweſen waͤre. Um allen Verdacht des Muthwillens von uns abzulehnen, bekannten wir uns zu unſern teufliſchen Rollen, und das Ungluͤck das die Hexameter angerichtet hatten, war zu offenbar, als daß man ſie nicht aufs neue haͤtte verrufen und verbannen ſollen. So pflegen Kinder und Volk das Große, das Erhabene in ein Spiel, ja in eine Poſſe zu verwandeln; und wie ſollten ſie auch ſonſt im Stande ſeyn es auszuhalten und zu er¬ tragen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/196
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/196>, abgerufen am 24.11.2024.