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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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unsere herkömmlichen Flüche ziemlich leise.
Nun hatte aber Adramelech den Satan mit
eisernen Händen zu fassen; meine Schwester
packte mich gewaltig an, und recitirte, zwar
leise genug aber doch mit steigender Leiden¬
schaft :

Hilf mir! ich flehe dich an, ich bete, wenn
du es forderst,

Ungeheuer! dich an! Verworfner, schwar¬
zer Verbrecher,

Hilf mir! ich leide die Pein des rächenden
ewigen Todes!...

Vormals konnt' ich mit heißem, mit grimmi¬
gem Hasse dich hassen!

Jetzt vermag ich's nicht mehr! Auch dieß ist
stechender Jammer!

Bisher war alles leidlich gegangen; aber laut,
mit fürchterlicher Stimme, rief sie die folgen¬
den Worte:

O wie bin ich zermalmt!..
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unſere herkoͤmmlichen Fluͤche ziemlich leiſe.
Nun hatte aber Adramelech den Satan mit
eiſernen Haͤnden zu faſſen; meine Schweſter
packte mich gewaltig an, und recitirte, zwar
leiſe genug aber doch mit ſteigender Leiden¬
ſchaft :

Hilf mir! ich flehe dich an, ich bete, wenn
du es forderſt,

Ungeheuer! dich an! Verworfner, ſchwar¬
zer Verbrecher,

Hilf mir! ich leide die Pein des raͤchenden
ewigen Todes!...

Vormals konnt' ich mit heißem, mit grimmi¬
gem Haſſe dich haſſen!

Jetzt vermag ich's nicht mehr! Auch dieß iſt
ſtechender Jammer!

Bisher war alles leidlich gegangen; aber laut,
mit fuͤrchterlicher Stimme, rief ſie die folgen¬
den Worte:

O wie bin ich zermalmt!..
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[179/0195] unſere herkoͤmmlichen Fluͤche ziemlich leiſe. Nun hatte aber Adramelech den Satan mit eiſernen Haͤnden zu faſſen; meine Schweſter packte mich gewaltig an, und recitirte, zwar leiſe genug aber doch mit ſteigender Leiden¬ ſchaft : Hilf mir! ich flehe dich an, ich bete, wenn du es forderſt, Ungeheuer! dich an! Verworfner, ſchwar¬ zer Verbrecher, Hilf mir! ich leide die Pein des raͤchenden ewigen Todes!... Vormals konnt' ich mit heißem, mit grimmi¬ gem Haſſe dich haſſen! Jetzt vermag ich's nicht mehr! Auch dieß iſt ſtechender Jammer! Bisher war alles leidlich gegangen; aber laut, mit fuͤrchterlicher Stimme, rief ſie die folgen¬ den Worte: O wie bin ich zermalmt!.. 12 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/195>, abgerufen am 17.05.2024.