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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ticher Dolmetscher, ein schöner wohlbeleibter
heitrer Mann, der Bürger von Frankfurt
war und gut französisch sprach, sich in alles
zu schicken wußte und mit mancherley kleinen
Unannehmlichkeiten nur seinen Spaß trieb.
Durch diesen hatte meine Mutter dem Grafen
ihre Lage bey dem Gemüthszustande ihres
Gatten vorstellen lassen; er hatte die Sache
so klüglich ausgemalt, das neue noch nicht
einmal ganz eingerichtete Haus, die natürliche
Zurückgezogenheit des Besitzers, die Beschäf¬
tigung mit der Erziehung seiner Familie und
was sich alles sonst noch sagen ließ, zu beden¬
ken gegeben; so daß der Graf, der an seiner
Stelle auf die höchste Gerechtigkeit, Unbe¬
stechlichkeit und ehrenvollen Wandel den grö߬
ten Stolz setzte, auch hier sich als Einquar¬
tierter musterhaft zu betragen vornahm, und
es wirklich die einigen Jahre seines Dablei¬
bens unter mancherley Umständen unverbrüch¬
lich gehalten hat.

ticher Dolmetſcher, ein ſchoͤner wohlbeleibter
heitrer Mann, der Buͤrger von Frankfurt
war und gut franzoͤſiſch ſprach, ſich in alles
zu ſchicken wußte und mit mancherley kleinen
Unannehmlichkeiten nur ſeinen Spaß trieb.
Durch dieſen hatte meine Mutter dem Grafen
ihre Lage bey dem Gemuͤthszuſtande ihres
Gatten vorſtellen laſſen; er hatte die Sache
ſo kluͤglich ausgemalt, das neue noch nicht
einmal ganz eingerichtete Haus, die natuͤrliche
Zuruͤckgezogenheit des Beſitzers, die Beſchaͤf¬
tigung mit der Erziehung ſeiner Familie und
was ſich alles ſonſt noch ſagen ließ, zu beden¬
ken gegeben; ſo daß der Graf, der an ſeiner
Stelle auf die hoͤchſte Gerechtigkeit, Unbe¬
ſtechlichkeit und ehrenvollen Wandel den groͤ߬
ten Stolz ſetzte, auch hier ſich als Einquar¬
tierter muſterhaft zu betragen vornahm, und
es wirklich die einigen Jahre ſeines Dablei¬
bens unter mancherley Umſtaͤnden unverbruͤch¬
lich gehalten hat.

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[190/0206] ticher Dolmetſcher, ein ſchoͤner wohlbeleibter heitrer Mann, der Buͤrger von Frankfurt war und gut franzoͤſiſch ſprach, ſich in alles zu ſchicken wußte und mit mancherley kleinen Unannehmlichkeiten nur ſeinen Spaß trieb. Durch dieſen hatte meine Mutter dem Grafen ihre Lage bey dem Gemuͤthszuſtande ihres Gatten vorſtellen laſſen; er hatte die Sache ſo kluͤglich ausgemalt, das neue noch nicht einmal ganz eingerichtete Haus, die natuͤrliche Zuruͤckgezogenheit des Beſitzers, die Beſchaͤf¬ tigung mit der Erziehung ſeiner Familie und was ſich alles ſonſt noch ſagen ließ, zu beden¬ ken gegeben; ſo daß der Graf, der an ſeiner Stelle auf die hoͤchſte Gerechtigkeit, Unbe¬ ſtechlichkeit und ehrenvollen Wandel den groͤ߬ ten Stolz ſetzte, auch hier ſich als Einquar¬ tierter muſterhaft zu betragen vornahm, und es wirklich die einigen Jahre ſeines Dablei¬ bens unter mancherley Umſtaͤnden unverbruͤch¬ lich gehalten hat.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/206>, abgerufen am 28.11.2024.