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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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gab, forderte er nicht mehr mit der sonstigen
Genauigkeit, und wir suchten, wie es nur mög¬
lich schien, unsere Neugierde an militärischen
und andern öffentlichen Dingen zu befriedi¬
gen, nicht allein im Hause, sondern auch auf
den Straßen, welches um so leichter anging,
da die Tag und Nacht unverschlossene Haus¬
thüre von Schildwachen besetzt war, die sich
um das Hin- und Wiederlaufen unruhiger
Kinder nichts bekümmerten.

Die mancherley Angelegenheiten, die vor
dem Richterstuhle des Königslieutenant ge¬
schlichtet wurden, hatten dadurch noch ei¬
nen ganz besondern Reiz, daß er einen eige¬
nen Werth darauf legte, seine Entscheidun¬
gen zugleich mit einer witzigen, geistreichen,
heitern Wendung zu begleiten. Was er be¬
fahl, war streng gerecht; die Art wie er
es ausdrückte, war launig und pikant. Er
schien sich den Herzog von Ossuna zum
Vorbilde genommen zu haben. Es verging

gab, forderte er nicht mehr mit der ſonſtigen
Genauigkeit, und wir ſuchten, wie es nur moͤg¬
lich ſchien, unſere Neugierde an militaͤriſchen
und andern oͤffentlichen Dingen zu befriedi¬
gen, nicht allein im Hauſe, ſondern auch auf
den Straßen, welches um ſo leichter anging,
da die Tag und Nacht unverſchloſſene Haus¬
thuͤre von Schildwachen beſetzt war, die ſich
um das Hin- und Wiederlaufen unruhiger
Kinder nichts bekuͤmmerten.

Die mancherley Angelegenheiten, die vor
dem Richterſtuhle des Koͤnigslieutenant ge¬
ſchlichtet wurden, hatten dadurch noch ei¬
nen ganz beſondern Reiz, daß er einen eige¬
nen Werth darauf legte, ſeine Entſcheidun¬
gen zugleich mit einer witzigen, geiſtreichen,
heitern Wendung zu begleiten. Was er be¬
fahl, war ſtreng gerecht; die Art wie er
es ausdruͤckte, war launig und pikant. Er
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[194/0210] gab, forderte er nicht mehr mit der ſonſtigen Genauigkeit, und wir ſuchten, wie es nur moͤg¬ lich ſchien, unſere Neugierde an militaͤriſchen und andern oͤffentlichen Dingen zu befriedi¬ gen, nicht allein im Hauſe, ſondern auch auf den Straßen, welches um ſo leichter anging, da die Tag und Nacht unverſchloſſene Haus¬ thuͤre von Schildwachen beſetzt war, die ſich um das Hin- und Wiederlaufen unruhiger Kinder nichts bekuͤmmerten. Die mancherley Angelegenheiten, die vor dem Richterſtuhle des Koͤnigslieutenant ge¬ ſchlichtet wurden, hatten dadurch noch ei¬ nen ganz beſondern Reiz, daß er einen eige¬ nen Werth darauf legte, ſeine Entſcheidun¬ gen zugleich mit einer witzigen, geiſtreichen, heitern Wendung zu begleiten. Was er be¬ fahl, war ſtreng gerecht; die Art wie er es ausdruͤckte, war launig und pikant. Er ſchien ſich den Herzog von Oſſuna zum Vorbilde genommen zu haben. Es verging

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/210>, abgerufen am 22.05.2024.