geputzt und wie gut nahm er sich aus; wer weiß in was für einem zerrissenen Jäckchen er heute Nacht schlafen mag! -- Alles war schon aufgestanden, nur ließ uns die Menge noch nicht vorwärts. Eine Frau, die neben mir gesessen hatte und nun hart an mir stand, war zufälliger Weise die Mutter die¬ ses jungen Künstlers, die sich durch meine Reflexion sehr beleidigt fühlte. Zu meinem Unglück konnte sie Deutsch genug, um mich verstanden zu haben, und sprach es gerade so viel als nöthig war, um schelten zu können. Sie machte mich gewaltig herunter: Wer ich denn sey, meinte sie, daß ich Ursache hätte an der Familie und an der Wohlhabenheit dieses jungen Menschen zu zweifeln. Auf alle Falle dürfe sie ihn für so gut halten als mich, und seine Talente könnten ihm wohl ein Glück bereiten, wovon ich mir nicht würde träumen lassen. Diese Strafpredigt hieit sie mir im Gedränge und machte die Umstehenden aufmerksam, welche Wunder
geputzt und wie gut nahm er ſich aus; wer weiß in was fuͤr einem zerriſſenen Jaͤckchen er heute Nacht ſchlafen mag! — Alles war ſchon aufgeſtanden, nur ließ uns die Menge noch nicht vorwaͤrts. Eine Frau, die neben mir geſeſſen hatte und nun hart an mir ſtand, war zufaͤlliger Weiſe die Mutter die¬ ſes jungen Kuͤnſtlers, die ſich durch meine Reflexion ſehr beleidigt fuͤhlte. Zu meinem Ungluͤck konnte ſie Deutſch genug, um mich verſtanden zu haben, und ſprach es gerade ſo viel als noͤthig war, um ſchelten zu koͤnnen. Sie machte mich gewaltig herunter: Wer ich denn ſey, meinte ſie, daß ich Urſache haͤtte an der Familie und an der Wohlhabenheit dieſes jungen Menſchen zu zweifeln. Auf alle Falle duͤrfe ſie ihn fuͤr ſo gut halten als mich, und ſeine Talente koͤnnten ihm wohl ein Gluͤck bereiten, wovon ich mir nicht wuͤrde traͤumen laſſen. Dieſe Strafpredigt hieit ſie mir im Gedraͤnge und machte die Umſtehenden aufmerkſam, welche Wunder
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geputzt und wie gut nahm er ſich aus; wer
weiß in was fuͤr einem zerriſſenen Jaͤckchen
er heute Nacht ſchlafen mag! — Alles war
ſchon aufgeſtanden, nur ließ uns die Menge
noch nicht vorwaͤrts. Eine Frau, die neben
mir geſeſſen hatte und nun hart an mir
ſtand, war zufaͤlliger Weiſe die Mutter die¬
ſes jungen Kuͤnſtlers, die ſich durch meine
Reflexion ſehr beleidigt fuͤhlte. Zu meinem
Ungluͤck konnte ſie Deutſch genug, um mich
verſtanden zu haben, und ſprach es gerade ſo
viel als noͤthig war, um ſchelten zu koͤnnen.
Sie machte mich gewaltig herunter: Wer ich
denn ſey, meinte ſie, daß ich Urſache haͤtte
an der Familie und an der Wohlhabenheit
dieſes jungen Menſchen zu zweifeln. Auf
alle Falle duͤrfe ſie ihn fuͤr ſo gut halten als
mich, und ſeine Talente koͤnnten ihm wohl
ein Gluͤck bereiten, wovon ich mir nicht
wuͤrde traͤumen laſſen. Dieſe Strafpredigt
hieit ſie mir im Gedraͤnge und machte die
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/233>, abgerufen am 26.11.2024.
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