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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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dachten, was ich für eine Unart müßte be¬
gangen haben. Da ich mich weder entschul¬
digen, noch von Ihr entfernen konnte, so
war ich wirklich verlegen, und als sie einen
Augenblick inne hielt, sagte ich, ohne etwas
dabey zu denken: Nun, wozu der Lärm?
heute roth, morgen todt! -- Auf diese Worte
schien die Frau zu verstummen. Sie sah
mich an und entfernte sich von mir, sobald
es nur einigermaßen möglich war. Ich
dachte nicht weiter an meine Worte. Nur
einige Zeit hernach fielen sie mir auf, als
der Knabe, anstatt sich nochmals sehen zu
lassen, krank ward und zwar sehr gefährlich.
Ob er gestorben ist, weiß ich nicht zu sagen.

Dergleichen Vordeutungen durch ein un¬
zeitig, ja unschicklich ausgesprochnes Wort
standen bey den Alten schon in Ansehen,
und es bleibt höchst merkwürdig, daß die
Formen des Glaubens und Aberglaubens bey

dachten, was ich fuͤr eine Unart muͤßte be¬
gangen haben. Da ich mich weder entſchul¬
digen, noch von Ihr entfernen konnte, ſo
war ich wirklich verlegen, und als ſie einen
Augenblick inne hielt, ſagte ich, ohne etwas
dabey zu denken: Nun, wozu der Laͤrm?
heute roth, morgen todt! — Auf dieſe Worte
ſchien die Frau zu verſtummen. Sie ſah
mich an und entfernte ſich von mir, ſobald
es nur einigermaßen moͤglich war. Ich
dachte nicht weiter an meine Worte. Nur
einige Zeit hernach fielen ſie mir auf, als
der Knabe, anſtatt ſich nochmals ſehen zu
laſſen, krank ward und zwar ſehr gefaͤhrlich.
Ob er geſtorben iſt, weiß ich nicht zu ſagen.

Dergleichen Vordeutungen durch ein un¬
zeitig, ja unſchicklich ausgeſprochnes Wort
ſtanden bey den Alten ſchon in Anſehen,
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[218/0234] dachten, was ich fuͤr eine Unart muͤßte be¬ gangen haben. Da ich mich weder entſchul¬ digen, noch von Ihr entfernen konnte, ſo war ich wirklich verlegen, und als ſie einen Augenblick inne hielt, ſagte ich, ohne etwas dabey zu denken: Nun, wozu der Laͤrm? heute roth, morgen todt! — Auf dieſe Worte ſchien die Frau zu verſtummen. Sie ſah mich an und entfernte ſich von mir, ſobald es nur einigermaßen moͤglich war. Ich dachte nicht weiter an meine Worte. Nur einige Zeit hernach fielen ſie mir auf, als der Knabe, anſtatt ſich nochmals ſehen zu laſſen, krank ward und zwar ſehr gefaͤhrlich. Ob er geſtorben iſt, weiß ich nicht zu ſagen. Dergleichen Vordeutungen durch ein un¬ zeitig, ja unſchicklich ausgeſprochnes Wort ſtanden bey den Alten ſchon in Anſehen, und es bleibt hoͤchſt merkwuͤrdig, daß die Formen des Glaubens und Aberglaubens bey

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/234>, abgerufen am 25.11.2024.