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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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gekommen, voll Unmuth, gerieth er beym
Erblicken der verwundeten und gefangenen
Landsleute ganz aus der gewöhnlichen Fassung.
Auch er ließ den Vorbeyziehenden mancherley
Spende reichen; aber nur die Deutschen soll¬
ten sie erhalten, welches nicht immer möglich
war, weil das Schicksal Freunde und Feinde
zusammen aufgepackt hatte.

Die Mutter und wir Kinder, die wir
schon früher auf des Grafen Wort gebaut
und deshalb einen ziemlich beruhigten Tag
hingebracht hatten, waren höchlich erfreut,
und die Mutter doppelt getröstet, da sie des
Morgens, als sie das Orakel ihres Schatz¬
kästleins durch einen Nadelstich befragt, eine
für die Gegenwart sowohl als für die Zukunft
sehr tröstliche Antwort erhalten hatte. Wir
wünschten unserm Vater gleichen Glauben
und gleiche Gesinnung, wir schmeichelten ihm
was wir konnten, wir baten ihn etwas
Speise zu sich zu nehmen, die er den ganzen

I. 15

gekommen, voll Unmuth, gerieth er beym
Erblicken der verwundeten und gefangenen
Landsleute ganz aus der gewoͤhnlichen Faſſung.
Auch er ließ den Vorbeyziehenden mancherley
Spende reichen; aber nur die Deutſchen ſoll¬
ten ſie erhalten, welches nicht immer moͤglich
war, weil das Schickſal Freunde und Feinde
zuſammen aufgepackt hatte.

Die Mutter und wir Kinder, die wir
ſchon fruͤher auf des Grafen Wort gebaut
und deshalb einen ziemlich beruhigten Tag
hingebracht hatten, waren hoͤchlich erfreut,
und die Mutter doppelt getroͤſtet, da ſie des
Morgens, als ſie das Orakel ihres Schatz¬
kaͤſtleins durch einen Nadelſtich befragt, eine
fuͤr die Gegenwart ſowohl als fuͤr die Zukunft
ſehr troͤſtliche Antwort erhalten hatte. Wir
wuͤnſchten unſerm Vater gleichen Glauben
und gleiche Geſinnung, wir ſchmeichelten ihm
was wir konnten, wir baten ihn etwas
Speiſe zu ſich zu nehmen, die er den ganzen

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[225/0241] gekommen, voll Unmuth, gerieth er beym Erblicken der verwundeten und gefangenen Landsleute ganz aus der gewoͤhnlichen Faſſung. Auch er ließ den Vorbeyziehenden mancherley Spende reichen; aber nur die Deutſchen ſoll¬ ten ſie erhalten, welches nicht immer moͤglich war, weil das Schickſal Freunde und Feinde zuſammen aufgepackt hatte. Die Mutter und wir Kinder, die wir ſchon fruͤher auf des Grafen Wort gebaut und deshalb einen ziemlich beruhigten Tag hingebracht hatten, waren hoͤchlich erfreut, und die Mutter doppelt getroͤſtet, da ſie des Morgens, als ſie das Orakel ihres Schatz¬ kaͤſtleins durch einen Nadelſtich befragt, eine fuͤr die Gegenwart ſowohl als fuͤr die Zukunft ſehr troͤſtliche Antwort erhalten hatte. Wir wuͤnſchten unſerm Vater gleichen Glauben und gleiche Geſinnung, wir ſchmeichelten ihm was wir konnten, wir baten ihn etwas Speiſe zu ſich zu nehmen, die er den ganzen I. 15

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/241>, abgerufen am 25.11.2024.