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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Tag entbehrt hatte; er verweigerte unsre
Liebkosungen und jeden Genuß, und begab
sich auf sein Zimmer. Unsre Freude ward
indessen nicht gestört; die Sache war ent¬
schieden; der Königs-Lieutenant, der diesen
Tag gegen seine Gewohnheit zu Pferde gewe¬
sen, kehrte endlich zurück, seine Gegenwart
zu Hause war nöthiger als je. Wir spran¬
gen ihm entgegen, küßten seine Hände und
bezeigten ihm unsre Freude. Es schien ihm
sehr zu gefallen. "Wohl! sagte er freundli¬
cher als sonst, ich bin auch um euertwillen
vergnügt, liebe Kinder!' Er befahl sogleich
uns Zuckerwerck, süßen Wein, überhaupt das
Beste zu reichen, und ging auf sein Zimmer,
schon von einer großen Masse Dringender,
Fordernder und Bittender umgeben.

Wir hielten nun eine köstliche Collation,
bedauerten den guten Vater, der nicht Theil
daran nehmen mochte, und drangen in die
Mutter, ihn herbey zu rufen; sie aber klüger

Tag entbehrt hatte; er verweigerte unſre
Liebkoſungen und jeden Genuß, und begab
ſich auf ſein Zimmer. Unſre Freude ward
indeſſen nicht geſtoͤrt; die Sache war ent¬
ſchieden; der Koͤnigs-Lieutenant, der dieſen
Tag gegen ſeine Gewohnheit zu Pferde gewe¬
ſen, kehrte endlich zuruͤck, ſeine Gegenwart
zu Hauſe war noͤthiger als je. Wir ſpran¬
gen ihm entgegen, kuͤßten ſeine Haͤnde und
bezeigten ihm unſre Freude. Es ſchien ihm
ſehr zu gefallen. „Wohl! ſagte er freundli¬
cher als ſonſt, ich bin auch um euertwillen
vergnuͤgt, liebe Kinder!‘ Er befahl ſogleich
uns Zuckerwerck, ſuͤßen Wein, uͤberhaupt das
Beſte zu reichen, und ging auf ſein Zimmer,
ſchon von einer großen Maſſe Dringender,
Fordernder und Bittender umgeben.

Wir hielten nun eine koͤſtliche Collation,
bedauerten den guten Vater, der nicht Theil
daran nehmen mochte, und drangen in die
Mutter, ihn herbey zu rufen; ſie aber kluͤger

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[226/0242] Tag entbehrt hatte; er verweigerte unſre Liebkoſungen und jeden Genuß, und begab ſich auf ſein Zimmer. Unſre Freude ward indeſſen nicht geſtoͤrt; die Sache war ent¬ ſchieden; der Koͤnigs-Lieutenant, der dieſen Tag gegen ſeine Gewohnheit zu Pferde gewe¬ ſen, kehrte endlich zuruͤck, ſeine Gegenwart zu Hauſe war noͤthiger als je. Wir ſpran¬ gen ihm entgegen, kuͤßten ſeine Haͤnde und bezeigten ihm unſre Freude. Es ſchien ihm ſehr zu gefallen. „Wohl! ſagte er freundli¬ cher als ſonſt, ich bin auch um euertwillen vergnuͤgt, liebe Kinder!‘ Er befahl ſogleich uns Zuckerwerck, ſuͤßen Wein, uͤberhaupt das Beſte zu reichen, und ging auf ſein Zimmer, ſchon von einer großen Maſſe Dringender, Fordernder und Bittender umgeben. Wir hielten nun eine koͤſtliche Collation, bedauerten den guten Vater, der nicht Theil daran nehmen mochte, und drangen in die Mutter, ihn herbey zu rufen; ſie aber kluͤger

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/242>, abgerufen am 25.11.2024.