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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Genug, dieser Tag dünkte ihm, so wie der
sorgenvollste, so auch der glorreichste seines
Lebens.

Wie sehr übrigens der Graf alles falsche
Ceremoniel abgelehnt, keinen Titel, der ihm
nicht gebührte, jemals angenommen, und wie
er in seinen heitern Stunden immer geistreich
gewesen, davon soll eine kleine Begebenheit
ein Zeugniß ablegen.

Ein vornehmer Mann, der aber auch
unter die abstrusen einsamen Frankfurter ge¬
hörte, glaubte sich über seine Einquartierung
beklagen zu müssen. Er kam persönlich, und
der Dolmetsch bot ihm seine Dienste an;
Jener aber meinte derselben nicht zu bedür¬
fen. Er trat vor den Grafen mit einer an¬
ständigen Verbeugung und sagte: Excellenz!
Der Graf gab ihm die Verbeugung zurück,
so wie die Excellenz. Betroffen von dieser
Ehrenbezeigung, nicht anders glaubend als

Genug, dieſer Tag duͤnkte ihm, ſo wie der
ſorgenvollſte, ſo auch der glorreichſte ſeines
Lebens.

Wie ſehr uͤbrigens der Graf alles falſche
Ceremoniel abgelehnt, keinen Titel, der ihm
nicht gebuͤhrte, jemals angenommen, und wie
er in ſeinen heitern Stunden immer geiſtreich
geweſen, davon ſoll eine kleine Begebenheit
ein Zeugniß ablegen.

Ein vornehmer Mann, der aber auch
unter die abſtruſen einſamen Frankfurter ge¬
hoͤrte, glaubte ſich uͤber ſeine Einquartierung
beklagen zu muͤſſen. Er kam perſoͤnlich, und
der Dolmetſch bot ihm ſeine Dienſte an;
Jener aber meinte derſelben nicht zu beduͤr¬
fen. Er trat vor den Grafen mit einer an¬
ſtaͤndigen Verbeugung und ſagte: Excellenz!
Der Graf gab ihm die Verbeugung zuruͤck,
ſo wie die Excellenz. Betroffen von dieſer
Ehrenbezeigung, nicht anders glaubend als

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[240/0256] Genug, dieſer Tag duͤnkte ihm, ſo wie der ſorgenvollſte, ſo auch der glorreichſte ſeines Lebens. Wie ſehr uͤbrigens der Graf alles falſche Ceremoniel abgelehnt, keinen Titel, der ihm nicht gebuͤhrte, jemals angenommen, und wie er in ſeinen heitern Stunden immer geiſtreich geweſen, davon ſoll eine kleine Begebenheit ein Zeugniß ablegen. Ein vornehmer Mann, der aber auch unter die abſtruſen einſamen Frankfurter ge¬ hoͤrte, glaubte ſich uͤber ſeine Einquartierung beklagen zu muͤſſen. Er kam perſoͤnlich, und der Dolmetſch bot ihm ſeine Dienſte an; Jener aber meinte derſelben nicht zu beduͤr¬ fen. Er trat vor den Grafen mit einer an¬ ſtaͤndigen Verbeugung und ſagte: Excellenz! Der Graf gab ihm die Verbeugung zuruͤck, ſo wie die Excellenz. Betroffen von dieſer Ehrenbezeigung, nicht anders glaubend als

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/256>, abgerufen am 03.06.2024.