Der Dolmetsch, durch diesen unerwar¬ tet glücklichen Ausgang überrascht und bewegt, konnte sich der Thränen nicht enthalten, und wollte dem Grafen die Hände küssen; der Graf wies ihn ab und sagte streng und ernst: Ihr wißt, daß ich dergleichen nicht leiden kann! Und mit diesen Worten trat er auf den Vorsaal, um die andringenden Ge¬ schäfte zu besorgen, und das Begehren so vieler wartenden Menschen zu vernehmen. So ward die Sache beygelegt, und wir feyerten den andern Morgen, bey den Ueber¬ bleibseln der gestrigen Zuckergeschenke, das Vorübergehen eines Uebels, dessen Androhen wir glücklich verschlafen hatten.
Ob der Dolmetsch wirklich so weise ge¬ sprochen, oder ob er sich die Scene nur so ausgemalt, wie man es wohl nach einer gu¬ ten und glücklichen Handlung zu thun pflegt, will ich nicht entscheiden; wenigstens hat er bey Wiedererzählung derselben niemals variirt.
Der Dolmetſch, durch dieſen unerwar¬ tet gluͤcklichen Ausgang uͤberraſcht und bewegt, konnte ſich der Thraͤnen nicht enthalten, und wollte dem Grafen die Haͤnde kuͤſſen; der Graf wies ihn ab und ſagte ſtreng und ernſt: Ihr wißt, daß ich dergleichen nicht leiden kann! Und mit dieſen Worten trat er auf den Vorſaal, um die andringenden Ge¬ ſchaͤfte zu beſorgen, und das Begehren ſo vieler wartenden Menſchen zu vernehmen. So ward die Sache beygelegt, und wir feyerten den andern Morgen, bey den Ueber¬ bleibſeln der geſtrigen Zuckergeſchenke, das Voruͤbergehen eines Uebels, deſſen Androhen wir gluͤcklich verſchlafen hatten.
Ob der Dolmetſch wirklich ſo weiſe ge¬ ſprochen, oder ob er ſich die Scene nur ſo ausgemalt, wie man es wohl nach einer gu¬ ten und gluͤcklichen Handlung zu thun pflegt, will ich nicht entſcheiden; wenigſtens hat er bey Wiedererzaͤhlung derſelben niemals variirt.
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Der Dolmetſch, durch dieſen unerwar¬
tet gluͤcklichen Ausgang uͤberraſcht und bewegt,
konnte ſich der Thraͤnen nicht enthalten, und
wollte dem Grafen die Haͤnde kuͤſſen; der
Graf wies ihn ab und ſagte ſtreng und
ernſt: Ihr wißt, daß ich dergleichen nicht
leiden kann! Und mit dieſen Worten trat er
auf den Vorſaal, um die andringenden Ge¬
ſchaͤfte zu beſorgen, und das Begehren ſo
vieler wartenden Menſchen zu vernehmen.
So ward die Sache beygelegt, und wir
feyerten den andern Morgen, bey den Ueber¬
bleibſeln der geſtrigen Zuckergeſchenke, das
Voruͤbergehen eines Uebels, deſſen Androhen
wir gluͤcklich verſchlafen hatten.
Ob der Dolmetſch wirklich ſo weiſe ge¬
ſprochen, oder ob er ſich die Scene nur ſo
ausgemalt, wie man es wohl nach einer gu¬
ten und gluͤcklichen Handlung zu thun pflegt,
will ich nicht entſcheiden; wenigſtens hat er
bey Wiedererzaͤhlung derſelben niemals variirt.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/255>, abgerufen am 24.11.2024.
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