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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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kreise nicht nur erzählt, sondern mit allen
Umständen und Gebärden aufgeführt.

Nach solchen Verwirrungen, Unruhen und
Bedrängnissen fand sich gar bald die vorige
Sicherheit und der Leichtsinn wieder, mit
welchem besonders die Jugend von Tag zu
Tage lebt, wenn es nur einigermaßen ange¬
hen will. Meine Leidenschaft zu dem fran¬
zösischen Theater wuchs mit jeder Vorstel¬
lung; ich versäumte keinen Abend, ob ich
gleich jedesmal, wenn ich nach dem Schau¬
spiel mich zur speisenden Familie an den
Tisch setzte und mich gar oft nur mit einigen
Resten begnügte, die steten Vorwürfe des
Vaters zu dulden hatte: das Theater sey zu
gar nichts nütze, und könne zu gar nichts
führen. Ich rief in solchem Falle gewöhnlich
alle und jede Argumente hervor, welche den
Vertheidigern des Schauspiels zur Hand sind,
wenn sie in eine gleiche Noth wie die mei¬
nige gerathen. Das Laster im Glück, die

kreiſe nicht nur erzaͤhlt, ſondern mit allen
Umſtaͤnden und Gebaͤrden aufgefuͤhrt.

Nach ſolchen Verwirrungen, Unruhen und
Bedraͤngniſſen fand ſich gar bald die vorige
Sicherheit und der Leichtſinn wieder, mit
welchem beſonders die Jugend von Tag zu
Tage lebt, wenn es nur einigermaßen ange¬
hen will. Meine Leidenſchaft zu dem fran¬
zoͤſiſchen Theater wuchs mit jeder Vorſtel¬
lung; ich verſaͤumte keinen Abend, ob ich
gleich jedesmal, wenn ich nach dem Schau¬
ſpiel mich zur ſpeiſenden Familie an den
Tiſch ſetzte und mich gar oft nur mit einigen
Reſten begnuͤgte, die ſteten Vorwuͤrfe des
Vaters zu dulden hatte: das Theater ſey zu
gar nichts nuͤtze, und koͤnne zu gar nichts
fuͤhren. Ich rief in ſolchem Falle gewoͤhnlich
alle und jede Argumente hervor, welche den
Vertheidigern des Schauſpiels zur Hand ſind,
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nige gerathen. Das Laſter im Gluͤck, die

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[242/0258] kreiſe nicht nur erzaͤhlt, ſondern mit allen Umſtaͤnden und Gebaͤrden aufgefuͤhrt. Nach ſolchen Verwirrungen, Unruhen und Bedraͤngniſſen fand ſich gar bald die vorige Sicherheit und der Leichtſinn wieder, mit welchem beſonders die Jugend von Tag zu Tage lebt, wenn es nur einigermaßen ange¬ hen will. Meine Leidenſchaft zu dem fran¬ zoͤſiſchen Theater wuchs mit jeder Vorſtel¬ lung; ich verſaͤumte keinen Abend, ob ich gleich jedesmal, wenn ich nach dem Schau¬ ſpiel mich zur ſpeiſenden Familie an den Tiſch ſetzte und mich gar oft nur mit einigen Reſten begnuͤgte, die ſteten Vorwuͤrfe des Vaters zu dulden hatte: das Theater ſey zu gar nichts nuͤtze, und koͤnne zu gar nichts fuͤhren. Ich rief in ſolchem Falle gewoͤhnlich alle und jede Argumente hervor, welche den Vertheidigern des Schauſpiels zur Hand ſind, wenn ſie in eine gleiche Noth wie die mei¬ nige gerathen. Das Laſter im Gluͤck, die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/258>, abgerufen am 24.11.2024.