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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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war, den er las und schätzte, so würzte er
alles was er sagte und schrieb, mit beizenden
Ingredienzien.

Glücklicherweise für diejenigen mit wel¬
chen er unzufrieden war, ging er niemals
direct zu Werke, sondern schraubte nur mit
Bezügen, Anspielungen, classischen Stellen
und biblischen Sprüchen auf die Mängel
hin, die er zu rügen gedachte. Dabey war
sein mündlicher Vortrag (er las seine Reden
jederzeit ab) unangenehm, unverständlich, und
über alles dieses manchmal durch einen Hu¬
sten, öfters aber durch ein hohles bauchschüt¬
terndes Lachen unterbrochen, womit er die
beißenden Stellen anzukündigen und zu be¬
gleiten pflegte. Diesen seltsamen Mann fand
ich mild und willig, als ich anfing meine
Stunden bey ihm zu nehmen. Ich ging
nun täglich Abends um sechs Uhr zu ihm,
und fühlte immer ein heimliches Behagen,
wenn sich die Klingelthüre hinter mir schloß,

war, den er las und ſchaͤtzte, ſo wuͤrzte er
alles was er ſagte und ſchrieb, mit beizenden
Ingredienzien.

Gluͤcklicherweiſe fuͤr diejenigen mit wel¬
chen er unzufrieden war, ging er niemals
direct zu Werke, ſondern ſchraubte nur mit
Bezuͤgen, Anſpielungen, claſſiſchen Stellen
und bibliſchen Spruͤchen auf die Maͤngel
hin, die er zu ruͤgen gedachte. Dabey war
ſein muͤndlicher Vortrag (er las ſeine Reden
jederzeit ab) unangenehm, unverſtaͤndlich, und
uͤber alles dieſes manchmal durch einen Hu¬
ſten, oͤfters aber durch ein hohles bauchſchuͤt¬
terndes Lachen unterbrochen, womit er die
beißenden Stellen anzukuͤndigen und zu be¬
gleiten pflegte. Dieſen ſeltſamen Mann fand
ich mild und willig, als ich anfing meine
Stunden bey ihm zu nehmen. Ich ging
nun taͤglich Abends um ſechs Uhr zu ihm,
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[292/0308] war, den er las und ſchaͤtzte, ſo wuͤrzte er alles was er ſagte und ſchrieb, mit beizenden Ingredienzien. Gluͤcklicherweiſe fuͤr diejenigen mit wel¬ chen er unzufrieden war, ging er niemals direct zu Werke, ſondern ſchraubte nur mit Bezuͤgen, Anſpielungen, claſſiſchen Stellen und bibliſchen Spruͤchen auf die Maͤngel hin, die er zu ruͤgen gedachte. Dabey war ſein muͤndlicher Vortrag (er las ſeine Reden jederzeit ab) unangenehm, unverſtaͤndlich, und uͤber alles dieſes manchmal durch einen Hu¬ ſten, oͤfters aber durch ein hohles bauchſchuͤt¬ terndes Lachen unterbrochen, womit er die beißenden Stellen anzukuͤndigen und zu be¬ gleiten pflegte. Dieſen ſeltſamen Mann fand ich mild und willig, als ich anfing meine Stunden bey ihm zu nehmen. Ich ging nun taͤglich Abends um ſechs Uhr zu ihm, und fuͤhlte immer ein heimliches Behagen, wenn ſich die Klingelthuͤre hinter mir ſchloß,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/308>, abgerufen am 25.11.2024.