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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Siddim, das, wenn unsere Einbildungskraft
kühn genug ist, dem Jordan einen unterir¬
dischen Ausfluß zu geben, um an der Stelle
des gegenwärtigen Asphaltsees einen trocknen
Boden zu gewinnen, uns als ein zweytes
Paradies erscheinen kann und muß; um so
mehr, weil die Bewohner und Umwohner
desselben als Weichlinge und Frevler berüch¬
tigt, uns dadurch auf ein bequemes und üp¬
piges Leben schließen lassen. Lot wohnt un¬
ter ihnen, jedoch abgesondert.

Aber Hebron und der Hain Mamre er¬
scheinen uns als die wichtige Stätte, wo der
Herr mit Abraham spricht und ihm alles
Land verheißt, so weit sein Blick nur in vier
Weltgegenden reichen mag. Aus diesen stil¬
len Bezirken, von diesen Hirtenvölkern, die
mit den Himmlischen umgehen dürfen, sie
als Gäste bewirthen und manche Zwiesprache
mit ihnen halten, werden wir genöthigt den
Blick abermals gegen Osten zu wenden, und

Siddim, das, wenn unſere Einbildungskraft
kuͤhn genug iſt, dem Jordan einen unterir¬
diſchen Ausfluß zu geben, um an der Stelle
des gegenwaͤrtigen Aſphaltſees einen trocknen
Boden zu gewinnen, uns als ein zweytes
Paradies erſcheinen kann und muß; um ſo
mehr, weil die Bewohner und Umwohner
deſſelben als Weichlinge und Frevler beruͤch¬
tigt, uns dadurch auf ein bequemes und uͤp¬
piges Leben ſchließen laſſen. Lot wohnt un¬
ter ihnen, jedoch abgeſondert.

Aber Hebron und der Hain Mamre er¬
ſcheinen uns als die wichtige Staͤtte, wo der
Herr mit Abraham ſpricht und ihm alles
Land verheißt, ſo weit ſein Blick nur in vier
Weltgegenden reichen mag. Aus dieſen ſtil¬
len Bezirken, von dieſen Hirtenvoͤlkern, die
mit den Himmliſchen umgehen duͤrfen, ſie
als Gaͤſte bewirthen und manche Zwieſprache
mit ihnen halten, werden wir genoͤthigt den
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[306/0322] Siddim, das, wenn unſere Einbildungskraft kuͤhn genug iſt, dem Jordan einen unterir¬ diſchen Ausfluß zu geben, um an der Stelle des gegenwaͤrtigen Aſphaltſees einen trocknen Boden zu gewinnen, uns als ein zweytes Paradies erſcheinen kann und muß; um ſo mehr, weil die Bewohner und Umwohner deſſelben als Weichlinge und Frevler beruͤch¬ tigt, uns dadurch auf ein bequemes und uͤp¬ piges Leben ſchließen laſſen. Lot wohnt un¬ ter ihnen, jedoch abgeſondert. Aber Hebron und der Hain Mamre er¬ ſcheinen uns als die wichtige Staͤtte, wo der Herr mit Abraham ſpricht und ihm alles Land verheißt, ſo weit ſein Blick nur in vier Weltgegenden reichen mag. Aus dieſen ſtil¬ len Bezirken, von dieſen Hirtenvoͤlkern, die mit den Himmliſchen umgehen duͤrfen, ſie als Gaͤſte bewirthen und manche Zwieſprache mit ihnen halten, werden wir genoͤthigt den Blick abermals gegen Oſten zu wenden, und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/322>, abgerufen am 26.11.2024.