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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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theilt ihn um des Vaters Segen. Esau er¬
grimmt und schwört dem Bruder den Tod,
Jakob entflieht, um in dem Lande seiner Vor¬
fahren sein Glück zu versuchen.

Nun, zum ersten Mal in einer so edlen Fa¬
milie erscheint ein Glied, das kein Bedenken
trägt, durch Klugheit und List die Vortheile zu
erlangen, welche Natur und Zustände ihm ver¬
sagten. Es ist oft genug bemerkt und ausge¬
sprochen worden, daß die heiligen Schriften
uns jene Erzväter und andere von Gott be¬
günstigte Männer keineswegs als Tugendbilder
aufstellen wollen. Auch sie sind Menschen von
den verschiedensten Charactern, mit mancherley
Mängeln und Gebrechen; aber eine Haupt¬
eigenschaft darf solchen Männern nach dem
Herzen Gottes nicht fehlen: es ist der uner¬
schütterliche Glaube, daß Gott sich ihrer und
der Ihrigen besonders annehme.

Die allgemeine, die natürliche Religion
bedarf eigentlich keines Glaubens: denn die

theilt ihn um des Vaters Segen. Eſau er¬
grimmt und ſchwoͤrt dem Bruder den Tod,
Jakob entflieht, um in dem Lande ſeiner Vor¬
fahren ſein Gluͤck zu verſuchen.

Nun, zum erſten Mal in einer ſo edlen Fa¬
milie erſcheint ein Glied, das kein Bedenken
traͤgt, durch Klugheit und Liſt die Vortheile zu
erlangen, welche Natur und Zuſtaͤnde ihm ver¬
ſagten. Es iſt oft genug bemerkt und ausge¬
ſprochen worden, daß die heiligen Schriften
uns jene Erzvaͤter und andere von Gott be¬
guͤnſtigte Maͤnner keineswegs als Tugendbilder
aufſtellen wollen. Auch ſie ſind Menſchen von
den verſchiedenſten Charactern, mit mancherley
Maͤngeln und Gebrechen; aber eine Haupt¬
eigenſchaft darf ſolchen Maͤnnern nach dem
Herzen Gottes nicht fehlen: es iſt der uner¬
ſchuͤtterliche Glaube, daß Gott ſich ihrer und
der Ihrigen beſonders annehme.

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bedarf eigentlich keines Glaubens: denn die

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[322/0338] theilt ihn um des Vaters Segen. Eſau er¬ grimmt und ſchwoͤrt dem Bruder den Tod, Jakob entflieht, um in dem Lande ſeiner Vor¬ fahren ſein Gluͤck zu verſuchen. Nun, zum erſten Mal in einer ſo edlen Fa¬ milie erſcheint ein Glied, das kein Bedenken traͤgt, durch Klugheit und Liſt die Vortheile zu erlangen, welche Natur und Zuſtaͤnde ihm ver¬ ſagten. Es iſt oft genug bemerkt und ausge¬ ſprochen worden, daß die heiligen Schriften uns jene Erzvaͤter und andere von Gott be¬ guͤnſtigte Maͤnner keineswegs als Tugendbilder aufſtellen wollen. Auch ſie ſind Menſchen von den verſchiedenſten Charactern, mit mancherley Maͤngeln und Gebrechen; aber eine Haupt¬ eigenſchaft darf ſolchen Maͤnnern nach dem Herzen Gottes nicht fehlen: es iſt der uner¬ ſchuͤtterliche Glaube, daß Gott ſich ihrer und der Ihrigen beſonders annehme. Die allgemeine, die natuͤrliche Religion bedarf eigentlich keines Glaubens: denn die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/338>, abgerufen am 28.11.2024.