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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ein schlechtes Gericht die Erstgeburt, und
durch eine Vermummung den väterlichen Se¬
gen gewonnen, so versteht er nun durch
Kunst und Sympathie den besten und grö߬
ten Theil der Heerde sich zuzueignen, und
wird auch von dieser Seite der wahrhaft
würdige Stammvater des Volkes Israel und
ein Musterbild für seine Nachkommen. La¬
ban und die Seinigen bemerken wo nicht das
Kunststück doch den Erfolg. Es giebt Ver¬
druß; Jakob flieht mit allen den Seinigen,
mit aller Habe, und entkommt dem nachse¬
tzenden Laban theils durch Glück, theils durch
List. Nun soll ihm Rahel noch einen Sohn
schenken; sie stirbt aber in der Geburt: der
Schmerzensohn Benjamin überlebt sie, aber
noch größern Schmerz soll der Altvater bey
dem anscheinenden Verlust seines Sohnes
Joseph empfinden.


ein ſchlechtes Gericht die Erſtgeburt, und
durch eine Vermummung den vaͤterlichen Se¬
gen gewonnen, ſo verſteht er nun durch
Kunſt und Sympathie den beſten und groͤ߬
ten Theil der Heerde ſich zuzueignen, und
wird auch von dieſer Seite der wahrhaft
wuͤrdige Stammvater des Volkes Iſrael und
ein Muſterbild fuͤr ſeine Nachkommen. La¬
ban und die Seinigen bemerken wo nicht das
Kunſtſtuͤck doch den Erfolg. Es giebt Ver¬
druß; Jakob flieht mit allen den Seinigen,
mit aller Habe, und entkommt dem nachſe¬
tzenden Laban theils durch Gluͤck, theils durch
Liſt. Nun ſoll ihm Rahel noch einen Sohn
ſchenken; ſie ſtirbt aber in der Geburt: der
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[326/0342] ein ſchlechtes Gericht die Erſtgeburt, und durch eine Vermummung den vaͤterlichen Se¬ gen gewonnen, ſo verſteht er nun durch Kunſt und Sympathie den beſten und groͤ߬ ten Theil der Heerde ſich zuzueignen, und wird auch von dieſer Seite der wahrhaft wuͤrdige Stammvater des Volkes Iſrael und ein Muſterbild fuͤr ſeine Nachkommen. La¬ ban und die Seinigen bemerken wo nicht das Kunſtſtuͤck doch den Erfolg. Es giebt Ver¬ druß; Jakob flieht mit allen den Seinigen, mit aller Habe, und entkommt dem nachſe¬ tzenden Laban theils durch Gluͤck, theils durch Liſt. Nun ſoll ihm Rahel noch einen Sohn ſchenken; ſie ſtirbt aber in der Geburt: der Schmerzenſohn Benjamin uͤberlebt ſie, aber noch groͤßern Schmerz ſoll der Altvater bey dem anſcheinenden Verluſt ſeines Sohnes Joſeph empfinden.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/342>, abgerufen am 28.11.2024.