ward alles redigirt und in gute Ordnung ge¬ stellt, und es bedurfte keines großen Zure¬ dens, um solche von jenem schreibelustigen jungen Manne reinlich abgeschrieben zu sehen. Ich eilte damit zum Buchbinder, und als ich gar bald den saubern Band meinem Va¬ ter überreichte, munterte er mich mit beson¬ derm Wohlgefallen auf, alle Jahre einen sol¬ chen Quartanten zu liefern; welches er mit desto größerer Ueberzeugung that, als ich das alles nur in so genannten Nebenstunden geleistet hatte.
Noch ein anderer Umstand vermehrte den Hang zu diesen theologischen, oder vielmehr biblischen Studien. Der Senior des Mini¬ steriums, Johann Philipp Fresenius, ein sanfter Mann, von schönem gefälligen Ansehen, welcher von seiner Gemeinde ja von der ganzen Stadt als ein exemplarischer Geistlicher und guter Canzelredner verehrt ward, der aber, weil er gegen die Herrnhu¬
ward alles redigirt und in gute Ordnung ge¬ ſtellt, und es bedurfte keines großen Zure¬ dens, um ſolche von jenem ſchreibeluſtigen jungen Manne reinlich abgeſchrieben zu ſehen. Ich eilte damit zum Buchbinder, und als ich gar bald den ſaubern Band meinem Va¬ ter uͤberreichte, munterte er mich mit beſon¬ derm Wohlgefallen auf, alle Jahre einen ſol¬ chen Quartanten zu liefern; welches er mit deſto groͤßerer Ueberzeugung that, als ich das alles nur in ſo genannten Nebenſtunden geleiſtet hatte.
Noch ein anderer Umſtand vermehrte den Hang zu dieſen theologiſchen, oder vielmehr bibliſchen Studien. Der Senior des Mini¬ ſteriums, Johann Philipp Freſenius, ein ſanfter Mann, von ſchoͤnem gefaͤlligen Anſehen, welcher von ſeiner Gemeinde ja von der ganzen Stadt als ein exemplariſcher Geiſtlicher und guter Canzelredner verehrt ward, der aber, weil er gegen die Herrnhu¬
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ward alles redigirt und in gute Ordnung ge¬
ſtellt, und es bedurfte keines großen Zure¬
dens, um ſolche von jenem ſchreibeluſtigen
jungen Manne reinlich abgeſchrieben zu ſehen.
Ich eilte damit zum Buchbinder, und als
ich gar bald den ſaubern Band meinem Va¬
ter uͤberreichte, munterte er mich mit beſon¬
derm Wohlgefallen auf, alle Jahre einen ſol¬
chen Quartanten zu liefern; welches er mit
deſto groͤßerer Ueberzeugung that, als ich
das alles nur in ſo genannten Nebenſtunden
geleiſtet hatte.
Noch ein anderer Umſtand vermehrte den
Hang zu dieſen theologiſchen, oder vielmehr
bibliſchen Studien. Der Senior des Mini¬
ſteriums, Johann Philipp Freſenius,
ein ſanfter Mann, von ſchoͤnem gefaͤlligen
Anſehen, welcher von ſeiner Gemeinde ja
von der ganzen Stadt als ein exemplariſcher
Geiſtlicher und guter Canzelredner verehrt
ward, der aber, weil er gegen die Herrnhu¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/351>, abgerufen am 29.11.2024.
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