verdrießlich und fremd zu thun, mit frohem Gesicht entgegen kamen. Der jüngste beson¬ dere war sehr freundlich, nahm mich bey der Hand und sagte: "Ihr habt uns neulich einen schelmischen Streich gespielt, und wir waren auf Euch recht böse; doch hat uns Euer Entweichen und das Entwenden der poetischen Epistel auf einen guten Gedanken gebracht, der uns vielleicht sonst niemals auf¬ gegangen wäre. Zur Versöhnung möget Ihr uns heute bewirthen, und dabey sollt Ihr erfahren, was es denn ist, worauf wir uns etwas einbilden, und was Euch gewiß auch Freude machen wird." Diese Anrede setzte mich in nicht geringe Verlegenheit: denn ich hatte ungefähr so viel Geld bey mir, um mir selbst und einem Freunde et¬ was zu Gute zu thun; aber eine Gesell¬ schaft, und besonders eine solche die nicht immer zur rechten Zeit ihre Gränzen fand, zu gastiren, war ich keineswegs eingerichtet; ja dieser Antrag verwunderte mich um so
verdrießlich und fremd zu thun, mit frohem Geſicht entgegen kamen. Der juͤngſte beſon¬ dere war ſehr freundlich, nahm mich bey der Hand und ſagte: „Ihr habt uns neulich einen ſchelmiſchen Streich geſpielt, und wir waren auf Euch recht boͤſe; doch hat uns Euer Entweichen und das Entwenden der poetiſchen Epiſtel auf einen guten Gedanken gebracht, der uns vielleicht ſonſt niemals auf¬ gegangen waͤre. Zur Verſoͤhnung moͤget Ihr uns heute bewirthen, und dabey ſollt Ihr erfahren, was es denn iſt, worauf wir uns etwas einbilden, und was Euch gewiß auch Freude machen wird.“ Dieſe Anrede ſetzte mich in nicht geringe Verlegenheit: denn ich hatte ungefaͤhr ſo viel Geld bey mir, um mir ſelbſt und einem Freunde et¬ was zu Gute zu thun; aber eine Geſell¬ ſchaft, und beſonders eine ſolche die nicht immer zur rechten Zeit ihre Graͤnzen fand, zu gaſtiren, war ich keineswegs eingerichtet; ja dieſer Antrag verwunderte mich um ſo
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verdrießlich und fremd zu thun, mit frohem
Geſicht entgegen kamen. Der juͤngſte beſon¬
dere war ſehr freundlich, nahm mich bey
der Hand und ſagte: „Ihr habt uns neulich
einen ſchelmiſchen Streich geſpielt, und wir
waren auf Euch recht boͤſe; doch hat uns
Euer Entweichen und das Entwenden der
poetiſchen Epiſtel auf einen guten Gedanken
gebracht, der uns vielleicht ſonſt niemals auf¬
gegangen waͤre. Zur Verſoͤhnung moͤget Ihr
uns heute bewirthen, und dabey ſollt Ihr
erfahren, was es denn iſt, worauf wir
uns etwas einbilden, und was Euch gewiß
auch Freude machen wird.“ Dieſe Anrede
ſetzte mich in nicht geringe Verlegenheit:
denn ich hatte ungefaͤhr ſo viel Geld bey
mir, um mir ſelbſt und einem Freunde et¬
was zu Gute zu thun; aber eine Geſell¬
ſchaft, und beſonders eine ſolche die nicht
immer zur rechten Zeit ihre Graͤnzen fand,
zu gaſtiren, war ich keineswegs eingerichtet;
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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