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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Ihr mir nicht übel nehmen, wenn ich auch
in Euer Handwerk pfusche. Worauf ich ihnen
denn vorerzählte, was ich mir aus ihren Be¬
schäftigungen gemerkt hatte, und zu welchen
ich mich allenfalls fähig hielt. Ein Jeder
hatte vorher sein Verdienst zu Gelde ange¬
schlagen, und ich ersuchte sie, mir auch zu
Fertigung meines Etats behülflich zu seyn.
Gretchen hatte alles Bisherige sehr aufmerk¬
sam mit angehört, und zwar in der Stellung
die sie sehr gut kleidete, sie mochte nun zuhö¬
ren oder sprechen. Sie faßte mit beyden
Händen ihre übereinander geschlagenen Arme
und legte sie auf den Rand des Tisches. So
konnte sie lange sitzen, ohne etwas anders als
den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne
Anlaß oder Bedeutung geschah. Sie hatte
manchmal ein Wörtchen mit eingesprochen
und über dieses und jenes, wenn wir in un¬
sern Einrichtungen stockten, nachgeholfen;
dann war sie aber wieder still und ruhig wie
gewöhnlich. Ich ließ sie nicht aus den Augen,

Ihr mir nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch
in Euer Handwerk pfuſche. Worauf ich ihnen
denn vorerzaͤhlte, was ich mir aus ihren Be¬
ſchaͤftigungen gemerkt hatte, und zu welchen
ich mich allenfalls faͤhig hielt. Ein Jeder
hatte vorher ſein Verdienſt zu Gelde ange¬
ſchlagen, und ich erſuchte ſie, mir auch zu
Fertigung meines Etats behuͤlflich zu ſeyn.
Gretchen hatte alles Bisherige ſehr aufmerk¬
ſam mit angehoͤrt, und zwar in der Stellung
die ſie ſehr gut kleidete, ſie mochte nun zuhoͤ¬
ren oder ſprechen. Sie faßte mit beyden
Haͤnden ihre uͤbereinander geſchlagenen Arme
und legte ſie auf den Rand des Tiſches. So
konnte ſie lange ſitzen, ohne etwas anders als
den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne
Anlaß oder Bedeutung geſchah. Sie hatte
manchmal ein Woͤrtchen mit eingeſprochen
und uͤber dieſes und jenes, wenn wir in un¬
ſern Einrichtungen ſtockten, nachgeholfen;
dann war ſie aber wieder ſtill und ruhig wie
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[413/0429] Ihr mir nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch in Euer Handwerk pfuſche. Worauf ich ihnen denn vorerzaͤhlte, was ich mir aus ihren Be¬ ſchaͤftigungen gemerkt hatte, und zu welchen ich mich allenfalls faͤhig hielt. Ein Jeder hatte vorher ſein Verdienſt zu Gelde ange¬ ſchlagen, und ich erſuchte ſie, mir auch zu Fertigung meines Etats behuͤlflich zu ſeyn. Gretchen hatte alles Bisherige ſehr aufmerk¬ ſam mit angehoͤrt, und zwar in der Stellung die ſie ſehr gut kleidete, ſie mochte nun zuhoͤ¬ ren oder ſprechen. Sie faßte mit beyden Haͤnden ihre uͤbereinander geſchlagenen Arme und legte ſie auf den Rand des Tiſches. So konnte ſie lange ſitzen, ohne etwas anders als den Kopf zu bewegen, welches niemals ohne Anlaß oder Bedeutung geſchah. Sie hatte manchmal ein Woͤrtchen mit eingeſprochen und uͤber dieſes und jenes, wenn wir in un¬ ſern Einrichtungen ſtockten, nachgeholfen; dann war ſie aber wieder ſtill und ruhig wie gewoͤhnlich. Ich ließ ſie nicht aus den Augen,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/429>, abgerufen am 24.11.2024.