dem ich mich besann, sagte Pylades: "Das einzige halte ich mir aus, damit wir nicht gar zu kurz kommen, daß er die äußern Vortheile seiner Lage nicht mit in Anrechnung bringe. Er mag uns lieber ein Mährchen erzählen, wie er es anfangen würde, wenn er in diesem Augenblick, so wie wir, ganz auf sich selbst gestellt wäre."
Gretchen, die bis diesen Augenblick fort¬ gesponnen hatte, stand auf und setzte sich wie gewöhnlich ans Ende des Tisches. Wir hatten schon einige Flaschen geleert, und ich fing mit dem besten Humor meine hypothetische Le¬ bensgeschichte zu erzählen an. Zuvörderst also empfehle ich mich Euch, sagte ich, daß Ihr mir die Kundschaft erhaltet, welche mir zuzuweisen Ihr den Anfang gemacht habt. Wenn Ihr mir nach und nach den Verdienst der sämtlichen Gelegenheitsgedichte zuwendet, und wir ihn nicht blos verschmausen; so will ich schon zu etwas kommen. Alsdann müßt
dem ich mich beſann, ſagte Pylades: „Das einzige halte ich mir aus, damit wir nicht gar zu kurz kommen, daß er die aͤußern Vortheile ſeiner Lage nicht mit in Anrechnung bringe. Er mag uns lieber ein Maͤhrchen erzaͤhlen, wie er es anfangen wuͤrde, wenn er in dieſem Augenblick, ſo wie wir, ganz auf ſich ſelbſt geſtellt waͤre.“
Gretchen, die bis dieſen Augenblick fort¬ geſponnen hatte, ſtand auf und ſetzte ſich wie gewoͤhnlich ans Ende des Tiſches. Wir hatten ſchon einige Flaſchen geleert, und ich fing mit dem beſten Humor meine hypothetiſche Le¬ bensgeſchichte zu erzaͤhlen an. Zuvoͤrderſt alſo empfehle ich mich Euch, ſagte ich, daß Ihr mir die Kundſchaft erhaltet, welche mir zuzuweiſen Ihr den Anfang gemacht habt. Wenn Ihr mir nach und nach den Verdienſt der ſaͤmtlichen Gelegenheitsgedichte zuwendet, und wir ihn nicht blos verſchmauſen; ſo will ich ſchon zu etwas kommen. Alsdann muͤßt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0428"n="412"/>
dem ich mich beſann, ſagte Pylades: „Das<lb/>
einzige halte ich mir aus, damit wir nicht gar<lb/>
zu kurz kommen, daß er die aͤußern Vortheile<lb/>ſeiner Lage nicht mit in Anrechnung bringe.<lb/>
Er mag uns lieber ein Maͤhrchen erzaͤhlen,<lb/>
wie er es anfangen wuͤrde, wenn er in dieſem<lb/>
Augenblick, ſo wie wir, ganz auf ſich ſelbſt<lb/>
geſtellt waͤre.“</p><lb/><p>Gretchen, die bis dieſen Augenblick fort¬<lb/>
geſponnen hatte, ſtand auf und ſetzte ſich wie<lb/>
gewoͤhnlich ans Ende des Tiſches. Wir hatten<lb/>ſchon einige Flaſchen geleert, und ich fing mit<lb/>
dem beſten Humor meine hypothetiſche Le¬<lb/>
bensgeſchichte zu erzaͤhlen an. Zuvoͤrderſt<lb/>
alſo empfehle ich mich Euch, ſagte ich, daß<lb/>
Ihr mir die Kundſchaft erhaltet, welche mir<lb/>
zuzuweiſen Ihr den Anfang gemacht habt.<lb/>
Wenn Ihr mir nach und nach den Verdienſt<lb/>
der ſaͤmtlichen Gelegenheitsgedichte zuwendet,<lb/>
und wir ihn nicht blos verſchmauſen; ſo will<lb/>
ich ſchon zu etwas kommen. Alsdann muͤßt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[412/0428]
dem ich mich beſann, ſagte Pylades: „Das
einzige halte ich mir aus, damit wir nicht gar
zu kurz kommen, daß er die aͤußern Vortheile
ſeiner Lage nicht mit in Anrechnung bringe.
Er mag uns lieber ein Maͤhrchen erzaͤhlen,
wie er es anfangen wuͤrde, wenn er in dieſem
Augenblick, ſo wie wir, ganz auf ſich ſelbſt
geſtellt waͤre.“
Gretchen, die bis dieſen Augenblick fort¬
geſponnen hatte, ſtand auf und ſetzte ſich wie
gewoͤhnlich ans Ende des Tiſches. Wir hatten
ſchon einige Flaſchen geleert, und ich fing mit
dem beſten Humor meine hypothetiſche Le¬
bensgeſchichte zu erzaͤhlen an. Zuvoͤrderſt
alſo empfehle ich mich Euch, ſagte ich, daß
Ihr mir die Kundſchaft erhaltet, welche mir
zuzuweiſen Ihr den Anfang gemacht habt.
Wenn Ihr mir nach und nach den Verdienſt
der ſaͤmtlichen Gelegenheitsgedichte zuwendet,
und wir ihn nicht blos verſchmauſen; ſo will
ich ſchon zu etwas kommen. Alsdann muͤßt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/428>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.