Vermögensumstände seiner Aeltern litten nicht, daß er auf Akademieen gehe; er habe sich aber einer schönen Handschrift, des Rechnens und der neuern Sprachen befleißigt, und wolle nun, in Hoffnung auf jenes häusliche Glück, sein Möglichstes versuchen. Die Vet¬ tern lobten ihn deshalb, ob sie gleich das frühzeitige Versprechen an ein Mädchen nicht billigen wollten, und setzten hinzu, sie müßten ihn zwar für einen braven und guten Jun¬ gen anerkennen, hielten ihn aber weder für thätig noch für unternehmend genug, etwas Außerordentliches zu leisten. Indem er nun, zu seiner Rechtfertigung, umständlich ausein¬ andersetzte, was er sich zu leisten getraue und wie er es anzufangen gedenke; so wurden die übrigen auch angereizt, und Jeder fing nun an zu erzählen, was er schon vermöge, thue, treibe, welchen Weg er zurückgelegt und was er zunächst vor sich sehe. Die Reihe kam zuletzt an mich. Ich sollte nun auch meine Lebensweise und Aussichten darstellen, und in¬
Vermoͤgensumſtaͤnde ſeiner Aeltern litten nicht, daß er auf Akademieen gehe; er habe ſich aber einer ſchoͤnen Handſchrift, des Rechnens und der neuern Sprachen befleißigt, und wolle nun, in Hoffnung auf jenes haͤusliche Gluͤck, ſein Moͤglichſtes verſuchen. Die Vet¬ tern lobten ihn deshalb, ob ſie gleich das fruͤhzeitige Verſprechen an ein Maͤdchen nicht billigen wollten, und ſetzten hinzu, ſie muͤßten ihn zwar fuͤr einen braven und guten Jun¬ gen anerkennen, hielten ihn aber weder fuͤr thaͤtig noch fuͤr unternehmend genug, etwas Außerordentliches zu leiſten. Indem er nun, zu ſeiner Rechtfertigung, umſtaͤndlich ausein¬ anderſetzte, was er ſich zu leiſten getraue und wie er es anzufangen gedenke; ſo wurden die uͤbrigen auch angereizt, und Jeder fing nun an zu erzaͤhlen, was er ſchon vermoͤge, thue, treibe, welchen Weg er zuruͤckgelegt und was er zunaͤchſt vor ſich ſehe. Die Reihe kam zuletzt an mich. Ich ſollte nun auch meine Lebensweiſe und Ausſichten darſtellen, und in¬
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Vermoͤgensumſtaͤnde ſeiner Aeltern litten nicht,
daß er auf Akademieen gehe; er habe ſich
aber einer ſchoͤnen Handſchrift, des Rechnens
und der neuern Sprachen befleißigt, und
wolle nun, in Hoffnung auf jenes haͤusliche
Gluͤck, ſein Moͤglichſtes verſuchen. Die Vet¬
tern lobten ihn deshalb, ob ſie gleich das
fruͤhzeitige Verſprechen an ein Maͤdchen nicht
billigen wollten, und ſetzten hinzu, ſie muͤßten
ihn zwar fuͤr einen braven und guten Jun¬
gen anerkennen, hielten ihn aber weder fuͤr
thaͤtig noch fuͤr unternehmend genug, etwas
Außerordentliches zu leiſten. Indem er nun,
zu ſeiner Rechtfertigung, umſtaͤndlich ausein¬
anderſetzte, was er ſich zu leiſten getraue und
wie er es anzufangen gedenke; ſo wurden die
uͤbrigen auch angereizt, und Jeder fing nun
an zu erzaͤhlen, was er ſchon vermoͤge, thue,
treibe, welchen Weg er zuruͤckgelegt und was
er zunaͤchſt vor ſich ſehe. Die Reihe kam
zuletzt an mich. Ich ſollte nun auch meine
Lebensweiſe und Ausſichten darſtellen, und in¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/427>, abgerufen am 24.11.2024.
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