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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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fen lassen. Das erste glaubten wir, weil es
uns besser gefiel, und wir es auch dem klei¬
nen, gedrungnen, mit schwarzen Feueraugen
hin und wieder blickenden Manne gar wohl
zutrauten. Aller Augen waren auf ihn ge¬
richtet, besonders wo er ausstieg. Es ent¬
stand jederzeit eine Art von frohem Zischeln,
und wenig fehlte, daß man ihm applaudirt,
Vivat oder Bravo zugerufen hätte. So
hoch stand der König, und alles was ihm
mit Leib und Seele ergeben war, in der
Gunst der Menge, unter der sich außer den
Frankfurtern, schon Deutsche aus allen Ge¬
genden befanden.

Einerseits hatte ich an diesen Dingen
manche Lust: weil alles was vorging, es
mochte seyn von welcher Art es wollte, doch
immer eine gewisse Deutung verbarg, irgend
ein innres Verhältniß anzeigte, und solche
symbolische Ceremonien das durch so viele
Pergamente, Papiere und Bücher beynah

I. 28

fen laſſen. Das erſte glaubten wir, weil es
uns beſſer gefiel, und wir es auch dem klei¬
nen, gedrungnen, mit ſchwarzen Feueraugen
hin und wieder blickenden Manne gar wohl
zutrauten. Aller Augen waren auf ihn ge¬
richtet, beſonders wo er ausſtieg. Es ent¬
ſtand jederzeit eine Art von frohem Ziſcheln,
und wenig fehlte, daß man ihm applaudirt,
Vivat oder Bravo zugerufen haͤtte. So
hoch ſtand der Koͤnig, und alles was ihm
mit Leib und Seele ergeben war, in der
Gunſt der Menge, unter der ſich außer den
Frankfurtern, ſchon Deutſche aus allen Ge¬
genden befanden.

Einerſeits hatte ich an dieſen Dingen
manche Luſt: weil alles was vorging, es
mochte ſeyn von welcher Art es wollte, doch
immer eine gewiſſe Deutung verbarg, irgend
ein innres Verhaͤltniß anzeigte, und ſolche
ſymboliſche Ceremonien das durch ſo viele
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[433/0449] fen laſſen. Das erſte glaubten wir, weil es uns beſſer gefiel, und wir es auch dem klei¬ nen, gedrungnen, mit ſchwarzen Feueraugen hin und wieder blickenden Manne gar wohl zutrauten. Aller Augen waren auf ihn ge¬ richtet, beſonders wo er ausſtieg. Es ent¬ ſtand jederzeit eine Art von frohem Ziſcheln, und wenig fehlte, daß man ihm applaudirt, Vivat oder Bravo zugerufen haͤtte. So hoch ſtand der Koͤnig, und alles was ihm mit Leib und Seele ergeben war, in der Gunſt der Menge, unter der ſich außer den Frankfurtern, ſchon Deutſche aus allen Ge¬ genden befanden. Einerſeits hatte ich an dieſen Dingen manche Luſt: weil alles was vorging, es mochte ſeyn von welcher Art es wollte, doch immer eine gewiſſe Deutung verbarg, irgend ein innres Verhaͤltniß anzeigte, und ſolche ſymboliſche Ceremonien das durch ſo viele Pergamente, Papiere und Buͤcher beynah I. 28

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/449>, abgerufen am 24.11.2024.