Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

König von Spanien, Carl dem fünften, und
dem König von Frankreich, Franz dem ersten,
geschwankt habe. Bedenklich fügte man hin¬
zu, daß nun abermals eine solche Weissagung
oder vielmehr Vorbedeutung umgehe: denn es
sey augenfällig, daß nur noch Platz für das
Bild eines Kaisers übrig bleibe; ein Umstand,
der obgleich zufällig scheinend, die Patriotisch¬
gesinnten mit Besorgniß erfülle.

Wenn wir nun so einmal unsern Umgang
hielten, verfehlten wir auch nicht, uns nach
dem Dom zu begeben und daselbst das Grab
jenes braven, von Freund und Feinden ge¬
schätzten Günther zu besuchen. Der merkwür¬
dige Stein, der es ehmals bedeckte, ist in
dem Chor aufgerichtet. Die gleich daneben
befindliche Thüre, welche ins Conclave führt,
blieb uns lange verschlossen, bis wir endlich
durch die obern Behörden auch den Eintritt in
diesen so bedeutenden Ort zu erlangen wußten.
Allein wir hätten besser gethan, ihn durch

Koͤnig von Spanien, Carl dem fuͤnften, und
dem Koͤnig von Frankreich, Franz dem erſten,
geſchwankt habe. Bedenklich fuͤgte man hin¬
zu, daß nun abermals eine ſolche Weiſſagung
oder vielmehr Vorbedeutung umgehe: denn es
ſey augenfaͤllig, daß nur noch Platz fuͤr das
Bild eines Kaiſers uͤbrig bleibe; ein Umſtand,
der obgleich zufaͤllig ſcheinend, die Patriotiſch¬
geſinnten mit Beſorgniß erfuͤlle.

Wenn wir nun ſo einmal unſern Umgang
hielten, verfehlten wir auch nicht, uns nach
dem Dom zu begeben und daſelbſt das Grab
jenes braven, von Freund und Feinden ge¬
ſchaͤtzten Guͤnther zu beſuchen. Der merkwuͤr¬
dige Stein, der es ehmals bedeckte, iſt in
dem Chor aufgerichtet. Die gleich daneben
befindliche Thuͤre, welche ins Conclave fuͤhrt,
blieb uns lange verſchloſſen, bis wir endlich
durch die obern Behoͤrden auch den Eintritt in
dieſen ſo bedeutenden Ort zu erlangen wußten.
Allein wir haͤtten beſſer gethan, ihn durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0045" n="29"/>
Ko&#x0364;nig von Spanien, Carl dem fu&#x0364;nften, und<lb/>
dem Ko&#x0364;nig von Frankreich, Franz dem er&#x017F;ten,<lb/>
ge&#x017F;chwankt habe. Bedenklich fu&#x0364;gte man hin¬<lb/>
zu, daß nun abermals eine &#x017F;olche Wei&#x017F;&#x017F;agung<lb/>
oder vielmehr Vorbedeutung umgehe: denn es<lb/>
&#x017F;ey augenfa&#x0364;llig, daß nur noch Platz fu&#x0364;r das<lb/>
Bild eines Kai&#x017F;ers u&#x0364;brig bleibe; ein Um&#x017F;tand,<lb/>
der obgleich zufa&#x0364;llig &#x017F;cheinend, die Patrioti&#x017F;ch¬<lb/>
ge&#x017F;innten mit Be&#x017F;orgniß erfu&#x0364;lle.</p><lb/>
      <p>Wenn wir nun &#x017F;o einmal un&#x017F;ern Umgang<lb/>
hielten, verfehlten wir auch nicht, uns nach<lb/>
dem Dom zu begeben und da&#x017F;elb&#x017F;t das Grab<lb/>
jenes braven, von Freund und Feinden ge¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzten Gu&#x0364;nther zu be&#x017F;uchen. Der merkwu&#x0364;<lb/>
dige Stein, der es ehmals bedeckte, i&#x017F;t in<lb/>
dem Chor aufgerichtet. Die gleich daneben<lb/>
befindliche Thu&#x0364;re, welche ins Conclave fu&#x0364;hrt,<lb/>
blieb uns lange ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, bis wir endlich<lb/>
durch die obern Beho&#x0364;rden auch den Eintritt in<lb/>
die&#x017F;en &#x017F;o bedeutenden Ort zu erlangen wußten.<lb/>
Allein wir ha&#x0364;tten be&#x017F;&#x017F;er gethan, ihn durch<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0045] Koͤnig von Spanien, Carl dem fuͤnften, und dem Koͤnig von Frankreich, Franz dem erſten, geſchwankt habe. Bedenklich fuͤgte man hin¬ zu, daß nun abermals eine ſolche Weiſſagung oder vielmehr Vorbedeutung umgehe: denn es ſey augenfaͤllig, daß nur noch Platz fuͤr das Bild eines Kaiſers uͤbrig bleibe; ein Umſtand, der obgleich zufaͤllig ſcheinend, die Patriotiſch¬ geſinnten mit Beſorgniß erfuͤlle. Wenn wir nun ſo einmal unſern Umgang hielten, verfehlten wir auch nicht, uns nach dem Dom zu begeben und daſelbſt das Grab jenes braven, von Freund und Feinden ge¬ ſchaͤtzten Guͤnther zu beſuchen. Der merkwuͤr¬ dige Stein, der es ehmals bedeckte, iſt in dem Chor aufgerichtet. Die gleich daneben befindliche Thuͤre, welche ins Conclave fuͤhrt, blieb uns lange verſchloſſen, bis wir endlich durch die obern Behoͤrden auch den Eintritt in dieſen ſo bedeutenden Ort zu erlangen wußten. Allein wir haͤtten beſſer gethan, ihn durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/45
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/45>, abgerufen am 30.04.2024.