Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

der Landgraf das Decret der Churfürsten, das
Franzen zum Kaiser erwählte, nach Heidelberg
überbrachte, und die erhaltenen kostbaren Ge¬
schenke mit Betheurung einer unverbrüchlichen
Anhänglichkeit erwiederte. Diese hohen Per¬
sonen standen in einem Tannicht, und der Land¬
graf vor Alter schwach, hielt sich an eine
Fichte, um das Gespräch noch länger fortse¬
tzen zu können, das von beyden Theilen nicht
ohne Rührung geschah. Der Platz ward
nachher auf eine unschuldige Weise bezeichnet,
und wir jungen Leute sind einige Mal hinge¬
wandert.

So hatten wir mehrere Stunden mit Er¬
innerung des Alten, mit Erwägung des
Neuen hingebracht, als der Zug abermals,
jedoch abgekürzt und gedrängter, vor unsern
Augen vorbeywogte; und wir konnten das
Einzelne näher beobachten, bemerken und uns
für die Zukunft einprägen.

der Landgraf das Decret der Churfuͤrſten, das
Franzen zum Kaiſer erwaͤhlte, nach Heidelberg
uͤberbrachte, und die erhaltenen koſtbaren Ge¬
ſchenke mit Betheurung einer unverbruͤchlichen
Anhaͤnglichkeit erwiederte. Dieſe hohen Per¬
ſonen ſtanden in einem Tannicht, und der Land¬
graf vor Alter ſchwach, hielt ſich an eine
Fichte, um das Geſpraͤch noch laͤnger fortſe¬
tzen zu koͤnnen, das von beyden Theilen nicht
ohne Ruͤhrung geſchah. Der Platz ward
nachher auf eine unſchuldige Weiſe bezeichnet,
und wir jungen Leute ſind einige Mal hinge¬
wandert.

So hatten wir mehrere Stunden mit Er¬
innerung des Alten, mit Erwaͤgung des
Neuen hingebracht, als der Zug abermals,
jedoch abgekuͤrzt und gedraͤngter, vor unſern
Augen vorbeywogte; und wir konnten das
Einzelne naͤher beobachten, bemerken und uns
fuͤr die Zukunft einpraͤgen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0480" n="464"/>
der Landgraf das Decret der Churfu&#x0364;r&#x017F;ten, das<lb/>
Franzen zum Kai&#x017F;er erwa&#x0364;hlte, nach Heidelberg<lb/>
u&#x0364;berbrachte, und die erhaltenen ko&#x017F;tbaren Ge¬<lb/>
&#x017F;chenke mit Betheurung einer unverbru&#x0364;chlichen<lb/>
Anha&#x0364;nglichkeit erwiederte. Die&#x017F;e hohen Per¬<lb/>
&#x017F;onen &#x017F;tanden in einem Tannicht, und der Land¬<lb/>
graf vor Alter &#x017F;chwach, hielt &#x017F;ich an eine<lb/>
Fichte, um das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch noch la&#x0364;nger fort&#x017F;<lb/>
tzen zu ko&#x0364;nnen, das von beyden Theilen nicht<lb/>
ohne Ru&#x0364;hrung ge&#x017F;chah. Der Platz ward<lb/>
nachher auf eine un&#x017F;chuldige Wei&#x017F;e bezeichnet,<lb/>
und wir jungen Leute &#x017F;ind einige Mal hinge¬<lb/>
wandert.</p><lb/>
        <p>So hatten wir mehrere Stunden mit Er¬<lb/>
innerung des Alten, mit Erwa&#x0364;gung des<lb/>
Neuen hingebracht, als der Zug abermals,<lb/>
jedoch abgeku&#x0364;rzt und gedra&#x0364;ngter, vor un&#x017F;ern<lb/>
Augen vorbeywogte; und wir konnten das<lb/>
Einzelne na&#x0364;her beobachten, bemerken und uns<lb/>
fu&#x0364;r die Zukunft einpra&#x0364;gen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0480] der Landgraf das Decret der Churfuͤrſten, das Franzen zum Kaiſer erwaͤhlte, nach Heidelberg uͤberbrachte, und die erhaltenen koſtbaren Ge¬ ſchenke mit Betheurung einer unverbruͤchlichen Anhaͤnglichkeit erwiederte. Dieſe hohen Per¬ ſonen ſtanden in einem Tannicht, und der Land¬ graf vor Alter ſchwach, hielt ſich an eine Fichte, um das Geſpraͤch noch laͤnger fortſe¬ tzen zu koͤnnen, das von beyden Theilen nicht ohne Ruͤhrung geſchah. Der Platz ward nachher auf eine unſchuldige Weiſe bezeichnet, und wir jungen Leute ſind einige Mal hinge¬ wandert. So hatten wir mehrere Stunden mit Er¬ innerung des Alten, mit Erwaͤgung des Neuen hingebracht, als der Zug abermals, jedoch abgekuͤrzt und gedraͤngter, vor unſern Augen vorbeywogte; und wir konnten das Einzelne naͤher beobachten, bemerken und uns fuͤr die Zukunft einpraͤgen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/480
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/480>, abgerufen am 24.11.2024.