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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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und rückte ihr Häubchen zurechte; sie war
liebenswürdiger als je, und drückte mir als
ich schied gar herzlich die Hände. Ich schlich
durch einen Umweg nach unserm Hause: denn
an der Seite, nach dem kleinen Hirschgraben
zu, hatte sich mein Vater in der Mauer ein
kleines Guckfenster, nicht ohne Widerspruch
des Nachbarn, angelegt. Diese Seite vermie¬
den wir, wenn wir nach Hause kommend von
ihm nicht bemerkt seyn wollten. Meine Mut¬
ter, deren Vermittelung uns immer zu Gute
kam, hatte meine Abwesenheit des Morgens
beym Thee durch ein frühzeitiges Ausgehen
meiner zu beschönigen gesucht, und ich empfand
also von dieser unschuldigen Nacht keine un¬
angenehmen Folgen.

Ueberhaupt und im Ganzen genommen
machte diese unendlich mannigfaltige Welt,
die mich umgab, auf mich nur sehr einfachen
Eindruck. Ich hatte kein Interesse als das
Aeußere der Gegenstände genau zu bemerken,

und ruͤckte ihr Haͤubchen zurechte; ſie war
liebenswuͤrdiger als je, und druͤckte mir als
ich ſchied gar herzlich die Haͤnde. Ich ſchlich
durch einen Umweg nach unſerm Hauſe: denn
an der Seite, nach dem kleinen Hirſchgraben
zu, hatte ſich mein Vater in der Mauer ein
kleines Guckfenſter, nicht ohne Widerſpruch
des Nachbarn, angelegt. Dieſe Seite vermie¬
den wir, wenn wir nach Hauſe kommend von
ihm nicht bemerkt ſeyn wollten. Meine Mut¬
ter, deren Vermittelung uns immer zu Gute
kam, hatte meine Abweſenheit des Morgens
beym Thee durch ein fruͤhzeitiges Ausgehen
meiner zu beſchoͤnigen geſucht, und ich empfand
alſo von dieſer unſchuldigen Nacht keine un¬
angenehmen Folgen.

Ueberhaupt und im Ganzen genommen
machte dieſe unendlich mannigfaltige Welt,
die mich umgab, auf mich nur ſehr einfachen
Eindruck. Ich hatte kein Intereſſe als das
Aeußere der Gegenſtaͤnde genau zu bemerken,

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[470/0486] und ruͤckte ihr Haͤubchen zurechte; ſie war liebenswuͤrdiger als je, und druͤckte mir als ich ſchied gar herzlich die Haͤnde. Ich ſchlich durch einen Umweg nach unſerm Hauſe: denn an der Seite, nach dem kleinen Hirſchgraben zu, hatte ſich mein Vater in der Mauer ein kleines Guckfenſter, nicht ohne Widerſpruch des Nachbarn, angelegt. Dieſe Seite vermie¬ den wir, wenn wir nach Hauſe kommend von ihm nicht bemerkt ſeyn wollten. Meine Mut¬ ter, deren Vermittelung uns immer zu Gute kam, hatte meine Abweſenheit des Morgens beym Thee durch ein fruͤhzeitiges Ausgehen meiner zu beſchoͤnigen geſucht, und ich empfand alſo von dieſer unſchuldigen Nacht keine un¬ angenehmen Folgen. Ueberhaupt und im Ganzen genommen machte dieſe unendlich mannigfaltige Welt, die mich umgab, auf mich nur ſehr einfachen Eindruck. Ich hatte kein Intereſſe als das Aeußere der Gegenſtaͤnde genau zu bemerken,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/486>, abgerufen am 24.11.2024.