Der Caffee diente für einige Stunden zur Ermunterung; nach und nach aber ermattete das Spiel, das Gespräch ging aus; die Mutter schlief im großen Sessel; die Fremden von der Reise müde, nickten da und dort, Pylades und seine Schöne saßen in einer Ecke. Sie hatte ihren Kopf auf seine Schulter ge¬ legt und schlief; auch er wachte nicht lange. Der jüngere Vetter, gegen uns über am Schie¬ fertische sitzend, hatte seine Arme vor sich übereinandergeschlagen und schlief mit auf¬ liegendem Gesichte. Ich saß in der Fenster¬ ecke hinter dem Tische und Gretchen neben mir. Wir unterhielten uns leise; aber endlich übermannte auch sie der Schlaf, sie lehnte ihr Köpfchen an meine Schulter und war gleich eingeschlummert. So saß ich nun al¬ lein, wachend, in der wunderlichsten Lage, in der auch mich der freundliche Bruder des Todes zu beruhigen wußte. Ich schlief ein, und als ich wieder erwachte, war es schon heller Tag. Gretchen stand vor dem Spiegel
Der Caffee diente fuͤr einige Stunden zur Ermunterung; nach und nach aber ermattete das Spiel, das Geſpraͤch ging aus; die Mutter ſchlief im großen Seſſel; die Fremden von der Reiſe muͤde, nickten da und dort, Pylades und ſeine Schoͤne ſaßen in einer Ecke. Sie hatte ihren Kopf auf ſeine Schulter ge¬ legt und ſchlief; auch er wachte nicht lange. Der juͤngere Vetter, gegen uns uͤber am Schie¬ fertiſche ſitzend, hatte ſeine Arme vor ſich uͤbereinandergeſchlagen und ſchlief mit auf¬ liegendem Geſichte. Ich ſaß in der Fenſter¬ ecke hinter dem Tiſche und Gretchen neben mir. Wir unterhielten uns leiſe; aber endlich uͤbermannte auch ſie der Schlaf, ſie lehnte ihr Koͤpfchen an meine Schulter und war gleich eingeſchlummert. So ſaß ich nun al¬ lein, wachend, in der wunderlichſten Lage, in der auch mich der freundliche Bruder des Todes zu beruhigen wußte. Ich ſchlief ein, und als ich wieder erwachte, war es ſchon heller Tag. Gretchen ſtand vor dem Spiegel
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Der Caffee diente fuͤr einige Stunden zur
Ermunterung; nach und nach aber ermattete
das Spiel, das Geſpraͤch ging aus; die
Mutter ſchlief im großen Seſſel; die Fremden
von der Reiſe muͤde, nickten da und dort,
Pylades und ſeine Schoͤne ſaßen in einer Ecke.
Sie hatte ihren Kopf auf ſeine Schulter ge¬
legt und ſchlief; auch er wachte nicht lange.
Der juͤngere Vetter, gegen uns uͤber am Schie¬
fertiſche ſitzend, hatte ſeine Arme vor ſich
uͤbereinandergeſchlagen und ſchlief mit auf¬
liegendem Geſichte. Ich ſaß in der Fenſter¬
ecke hinter dem Tiſche und Gretchen neben
mir. Wir unterhielten uns leiſe; aber endlich
uͤbermannte auch ſie der Schlaf, ſie lehnte
ihr Koͤpfchen an meine Schulter und war
gleich eingeſchlummert. So ſaß ich nun al¬
lein, wachend, in der wunderlichſten Lage, in
der auch mich der freundliche Bruder des
Todes zu beruhigen wußte. Ich ſchlief ein,
und als ich wieder erwachte, war es ſchon
heller Tag. Gretchen ſtand vor dem Spiegel
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/485>, abgerufen am 24.11.2024.
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