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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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selbst oder für ihre Mitschuldigen Briefe ver¬
faßt, Aufsätze gemacht und so zu ihren schlech¬
ten Streichen behülflich gewesen. Ich kom¬
me, um Sie zu retten: denn es ist von nichts
Geringerem als nachgemachten Handschriften,
falschen Testamenten, untergeschobnen Schuld¬
scheinen und ähnlichen Dingen die Rede.
Ich komme nicht allein als Hausfreund;
ich komme im Namen und auf Befehl der
Obrigkeit, die in Betracht Ihrer Familie und
Ihrer Jugend, Sie und einige andre Jüng¬
linge verschonen will, die gleich Ihnen ins Netz
gelockt worden." -- Es war mir auffallend,
daß unter den Personen die er nannte, sich
gerade die nicht fanden, mit denen ich Um¬
gang gepflogen. Die Verhältnisse trafen
nicht zusammen, aber sie berührten sich, und
ich konnte noch immer hoffen, meine jungen
Freunde zu schonen. Allein der wackre
Mann ward immer dringender. Ich konnte
nicht läugnen, daß ich manche Nächte spät
nach Hause gekommen war, daß ich mir ei¬

ſelbſt oder fuͤr ihre Mitſchuldigen Briefe ver¬
faßt, Aufſaͤtze gemacht und ſo zu ihren ſchlech¬
ten Streichen behuͤlflich geweſen. Ich kom¬
me, um Sie zu retten: denn es iſt von nichts
Geringerem als nachgemachten Handſchriften,
falſchen Teſtamenten, untergeſchobnen Schuld¬
ſcheinen und aͤhnlichen Dingen die Rede.
Ich komme nicht allein als Hausfreund;
ich komme im Namen und auf Befehl der
Obrigkeit, die in Betracht Ihrer Familie und
Ihrer Jugend, Sie und einige andre Juͤng¬
linge verſchonen will, die gleich Ihnen ins Netz
gelockt worden.“ — Es war mir auffallend,
daß unter den Perſonen die er nannte, ſich
gerade die nicht fanden, mit denen ich Um¬
gang gepflogen. Die Verhaͤltniſſe trafen
nicht zuſammen, aber ſie beruͤhrten ſich, und
ich konnte noch immer hoffen, meine jungen
Freunde zu ſchonen. Allein der wackre
Mann ward immer dringender. Ich konnte
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[503/0519] ſelbſt oder fuͤr ihre Mitſchuldigen Briefe ver¬ faßt, Aufſaͤtze gemacht und ſo zu ihren ſchlech¬ ten Streichen behuͤlflich geweſen. Ich kom¬ me, um Sie zu retten: denn es iſt von nichts Geringerem als nachgemachten Handſchriften, falſchen Teſtamenten, untergeſchobnen Schuld¬ ſcheinen und aͤhnlichen Dingen die Rede. Ich komme nicht allein als Hausfreund; ich komme im Namen und auf Befehl der Obrigkeit, die in Betracht Ihrer Familie und Ihrer Jugend, Sie und einige andre Juͤng¬ linge verſchonen will, die gleich Ihnen ins Netz gelockt worden.“ — Es war mir auffallend, daß unter den Perſonen die er nannte, ſich gerade die nicht fanden, mit denen ich Um¬ gang gepflogen. Die Verhaͤltniſſe trafen nicht zuſammen, aber ſie beruͤhrten ſich, und ich konnte noch immer hoffen, meine jungen Freunde zu ſchonen. Allein der wackre Mann ward immer dringender. Ich konnte nicht laͤugnen, daß ich manche Naͤchte ſpaͤt nach Hauſe gekommen war, daß ich mir ei¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/519>, abgerufen am 26.11.2024.