Küchengewächsen, ein andrer den Blumen gewidmet, die vom Frühjahr bis in den Herbst, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬ ten so wie die Beete schmückten. Die lange, gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl gezogenen Spalier-Pfirsichbäumen genützt, von denen uns die verbotenen Früchte, den Sommer über, gar appetitlich entgegenreiften. Doch vermieden wir lieber diese Seite, weil wir unsere Genäschigkeit hier nicht befriedigen durften, und wandten uns zu der entgegen¬ gesetzten, wo eine unabsehbare Reihe Johan¬ nis- und Stachelbeer-Büssche unserer Gierig¬ keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbst eröffnete. Nicht weniger war uns ein alter, hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬ tend, sowohl wegen seiner Früchte als auch weil man uns erzählte, daß von seinen Blät¬ tern die Seidenwürmer sich ernährten. In die¬ sem friedlichen Revier fand man jeden Abend den Großvater mit behaglicher Geschäftigkeit eigenhändig die feinere Obst- und Blumen¬
Kuͤchengewaͤchſen, ein andrer den Blumen gewidmet, die vom Fruͤhjahr bis in den Herbſt, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬ ten ſo wie die Beete ſchmuͤckten. Die lange, gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl gezogenen Spalier-Pfirſichbaͤumen genuͤtzt, von denen uns die verbotenen Fruͤchte, den Sommer uͤber, gar appetitlich entgegenreiften. Doch vermieden wir lieber dieſe Seite, weil wir unſere Genaͤſchigkeit hier nicht befriedigen durften, und wandten uns zu der entgegen¬ geſetzten, wo eine unabſehbare Reihe Johan¬ nis– und Stachelbeer-Buͤsſche unſerer Gierig¬ keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbſt eroͤffnete. Nicht weniger war uns ein alter, hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬ tend, ſowohl wegen ſeiner Fruͤchte als auch weil man uns erzaͤhlte, daß von ſeinen Blaͤt¬ tern die Seidenwuͤrmer ſich ernaͤhrten. In die¬ ſem friedlichen Revier fand man jeden Abend den Großvater mit behaglicher Geſchaͤftigkeit eigenhaͤndig die feinere Obſt- und Blumen¬
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0088"n="72"/>
Kuͤchengewaͤchſen, ein andrer den Blumen<lb/>
gewidmet, die vom Fruͤhjahr bis in den<lb/>
Herbſt, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬<lb/>
ten ſo wie die Beete ſchmuͤckten. Die lange,<lb/>
gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl<lb/>
gezogenen Spalier-Pfirſichbaͤumen genuͤtzt,<lb/>
von denen uns die verbotenen Fruͤchte, den<lb/>
Sommer uͤber, gar appetitlich entgegenreiften.<lb/>
Doch vermieden wir lieber dieſe Seite, weil<lb/>
wir unſere Genaͤſchigkeit hier nicht befriedigen<lb/>
durften, und wandten uns zu der entgegen¬<lb/>
geſetzten, wo eine unabſehbare Reihe Johan¬<lb/>
nis– und Stachelbeer-Buͤsſche unſerer Gierig¬<lb/>
keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbſt<lb/>
eroͤffnete. Nicht weniger war uns ein alter,<lb/>
hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬<lb/>
tend, ſowohl wegen ſeiner Fruͤchte als auch<lb/>
weil man uns erzaͤhlte, daß von ſeinen Blaͤt¬<lb/>
tern die Seidenwuͤrmer ſich ernaͤhrten. In die¬<lb/>ſem friedlichen Revier fand man jeden Abend<lb/>
den Großvater mit behaglicher Geſchaͤftigkeit<lb/>
eigenhaͤndig die feinere Obſt- und Blumen¬<lb/></p></body></text></TEI>
[72/0088]
Kuͤchengewaͤchſen, ein andrer den Blumen
gewidmet, die vom Fruͤhjahr bis in den
Herbſt, in reichlicher Abwechslung, die Rabat¬
ten ſo wie die Beete ſchmuͤckten. Die lange,
gegen Mittag gerichtete Mauer war zu wohl
gezogenen Spalier-Pfirſichbaͤumen genuͤtzt,
von denen uns die verbotenen Fruͤchte, den
Sommer uͤber, gar appetitlich entgegenreiften.
Doch vermieden wir lieber dieſe Seite, weil
wir unſere Genaͤſchigkeit hier nicht befriedigen
durften, und wandten uns zu der entgegen¬
geſetzten, wo eine unabſehbare Reihe Johan¬
nis– und Stachelbeer-Buͤsſche unſerer Gierig¬
keit eine Folge von Aerndten bis in den Herbſt
eroͤffnete. Nicht weniger war uns ein alter,
hoher, weitverbreiteter Maulbeerbaum bedeu¬
tend, ſowohl wegen ſeiner Fruͤchte als auch
weil man uns erzaͤhlte, daß von ſeinen Blaͤt¬
tern die Seidenwuͤrmer ſich ernaͤhrten. In die¬
ſem friedlichen Revier fand man jeden Abend
den Großvater mit behaglicher Geſchaͤftigkeit
eigenhaͤndig die feinere Obſt- und Blumen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/88>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.