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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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sam anzustellen, und weil weder von schönen,
noch erhabenen Gegenständen dem Beschauer
viel entgegentrat, und in den wirklich herrli¬
chen Rosenthale zur besten Jahrszeit die Mü¬
cken keinen zarten Gedanken aufkommen ließen;
so ward ich, bey unermüdet fortgesetzter Be¬
mühung, auf das Kleinleben der Natur, (ich
möchte dieses Wort nach der Analogie von
Stillleben gebrauchen,) höchst aufmerksam, und
weil die zierlichen Begebenheiten, die man in
diesem Kreise gewahr wird, an und für sich
wenig vorstellen, so gewöhnte ich mich, in ih¬
nen eine Bedeutung zu sehen, die sich bald ge¬
gen die symbolische, bald gegen die allegorische
Seite hinneigte, je nachdem Anschauung, Ge¬
fühl oder Reflexion das Uebergewicht behielt.
Ein Ereigniß, statt vieler, gedenke ich zu er¬
zählen.

Ich war, nach Menschenweise, in meinen
Namen verliebt und schrieb ihn, wie junge
und ungebildete Leute zu thun pflegen, überall

ſam anzuſtellen, und weil weder von ſchoͤnen,
noch erhabenen Gegenſtaͤnden dem Beſchauer
viel entgegentrat, und in den wirklich herrli¬
chen Roſenthale zur beſten Jahrszeit die Muͤ¬
cken keinen zarten Gedanken aufkommen ließen;
ſo ward ich, bey unermuͤdet fortgeſetzter Be¬
muͤhung, auf das Kleinleben der Natur, (ich
moͤchte dieſes Wort nach der Analogie von
Stillleben gebrauchen,) hoͤchſt aufmerkſam, und
weil die zierlichen Begebenheiten, die man in
dieſem Kreiſe gewahr wird, an und fuͤr ſich
wenig vorſtellen, ſo gewoͤhnte ich mich, in ih¬
nen eine Bedeutung zu ſehen, die ſich bald ge¬
gen die ſymboliſche, bald gegen die allegoriſche
Seite hinneigte, je nachdem Anſchauung, Ge¬
fuͤhl oder Reflexion das Uebergewicht behielt.
Ein Ereigniß, ſtatt vieler, gedenke ich zu er¬
zaͤhlen.

Ich war, nach Menſchenweiſe, in meinen
Namen verliebt und ſchrieb ihn, wie junge
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[155/0163] ſam anzuſtellen, und weil weder von ſchoͤnen, noch erhabenen Gegenſtaͤnden dem Beſchauer viel entgegentrat, und in den wirklich herrli¬ chen Roſenthale zur beſten Jahrszeit die Muͤ¬ cken keinen zarten Gedanken aufkommen ließen; ſo ward ich, bey unermuͤdet fortgeſetzter Be¬ muͤhung, auf das Kleinleben der Natur, (ich moͤchte dieſes Wort nach der Analogie von Stillleben gebrauchen,) hoͤchſt aufmerkſam, und weil die zierlichen Begebenheiten, die man in dieſem Kreiſe gewahr wird, an und fuͤr ſich wenig vorſtellen, ſo gewoͤhnte ich mich, in ih¬ nen eine Bedeutung zu ſehen, die ſich bald ge¬ gen die ſymboliſche, bald gegen die allegoriſche Seite hinneigte, je nachdem Anſchauung, Ge¬ fuͤhl oder Reflexion das Uebergewicht behielt. Ein Ereigniß, ſtatt vieler, gedenke ich zu er¬ zaͤhlen. Ich war, nach Menſchenweiſe, in meinen Namen verliebt und ſchrieb ihn, wie junge und ungebildete Leute zu thun pflegen, uͤberall

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/163>, abgerufen am 21.11.2024.