Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

sammen. Die Titel der Gedichte waren Frac¬
tur, die Verse selbst von einer stehenden säch¬
sischen Handschrift, an dem Ende eines jeden
Gedichtes eine analoge Vignette, die er ent¬
weder irgendwo ausgewählt oder auch wohl
selbst erfunden hatte, wobey er die Schraffu¬
ren der Holzschnitte und Druckerstöcke, die
man bey solcher Gelegenheit braucht, gar zier¬
lich nachzuahmen wußte. Mir diese Dinge,
indem er fortrückte, vorzuzeigen, mir das
Glück auf eine comischpathetische Weise vor¬
zurühmen, daß ich mich in so vortrefflicher
Handschrift verewigt sahe, und zwar auf eine
Art, die keine Druckerpresse zu erreichen im
Stande sey, gab abermals Veranlassung, die
schönsten Stunden durchzubringen. Indessen
war sein Umgang wegen der schönen Kennt¬
nisse, die er besaß, doch immer im Stillen
lehrreich, und weil er mein unruhiges, hefti¬
ges Wesen zu dämpfen wußte, auch im sitt¬
lichen Sinne für mich ganz heilsam. Auch
hatte er einen ganz besonderen Widerwillen

ſammen. Die Titel der Gedichte waren Frac¬
tur, die Verſe ſelbſt von einer ſtehenden ſaͤch¬
ſiſchen Handſchrift, an dem Ende eines jeden
Gedichtes eine analoge Vignette, die er ent¬
weder irgendwo ausgewaͤhlt oder auch wohl
ſelbſt erfunden hatte, wobey er die Schraffu¬
ren der Holzſchnitte und Druckerſtoͤcke, die
man bey ſolcher Gelegenheit braucht, gar zier¬
lich nachzuahmen wußte. Mir dieſe Dinge,
indem er fortruͤckte, vorzuzeigen, mir das
Gluͤck auf eine comiſchpathetiſche Weiſe vor¬
zuruͤhmen, daß ich mich in ſo vortrefflicher
Handſchrift verewigt ſahe, und zwar auf eine
Art, die keine Druckerpreſſe zu erreichen im
Stande ſey, gab abermals Veranlaſſung, die
ſchoͤnſten Stunden durchzubringen. Indeſſen
war ſein Umgang wegen der ſchoͤnen Kennt¬
niſſe, die er beſaß, doch immer im Stillen
lehrreich, und weil er mein unruhiges, hefti¬
ges Weſen zu daͤmpfen wußte, auch im ſitt¬
lichen Sinne fuͤr mich ganz heilſam. Auch
hatte er einen ganz beſonderen Widerwillen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="203"/>
&#x017F;ammen. Die Titel der Gedichte waren Frac¬<lb/>
tur, die Ver&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t von einer &#x017F;tehenden &#x017F;a&#x0364;ch¬<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Hand&#x017F;chrift, an dem Ende eines jeden<lb/>
Gedichtes eine analoge Vignette, die er ent¬<lb/>
weder irgendwo ausgewa&#x0364;hlt oder auch wohl<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erfunden hatte, wobey er die Schraffu¬<lb/>
ren der Holz&#x017F;chnitte und Drucker&#x017F;to&#x0364;cke, die<lb/>
man bey &#x017F;olcher Gelegenheit braucht, gar zier¬<lb/>
lich nachzuahmen wußte. Mir die&#x017F;e Dinge,<lb/>
indem er fortru&#x0364;ckte, vorzuzeigen, mir das<lb/>
Glu&#x0364;ck auf eine comi&#x017F;chpatheti&#x017F;che Wei&#x017F;e vor¬<lb/>
zuru&#x0364;hmen, daß ich mich in &#x017F;o vortrefflicher<lb/>
Hand&#x017F;chrift verewigt &#x017F;ahe, und zwar auf eine<lb/>
Art, die keine Druckerpre&#x017F;&#x017F;e zu erreichen im<lb/>
Stande &#x017F;ey, gab abermals Veranla&#x017F;&#x017F;ung, die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Stunden durchzubringen. Inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
war &#x017F;ein Umgang wegen der &#x017F;cho&#x0364;nen Kennt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, die er be&#x017F;aß, doch immer im Stillen<lb/>
lehrreich, und weil er mein unruhiges, hefti¬<lb/>
ges We&#x017F;en zu da&#x0364;mpfen wußte, auch im &#x017F;itt¬<lb/>
lichen Sinne fu&#x0364;r mich ganz heil&#x017F;am. Auch<lb/>
hatte er einen ganz be&#x017F;onderen Widerwillen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0211] ſammen. Die Titel der Gedichte waren Frac¬ tur, die Verſe ſelbſt von einer ſtehenden ſaͤch¬ ſiſchen Handſchrift, an dem Ende eines jeden Gedichtes eine analoge Vignette, die er ent¬ weder irgendwo ausgewaͤhlt oder auch wohl ſelbſt erfunden hatte, wobey er die Schraffu¬ ren der Holzſchnitte und Druckerſtoͤcke, die man bey ſolcher Gelegenheit braucht, gar zier¬ lich nachzuahmen wußte. Mir dieſe Dinge, indem er fortruͤckte, vorzuzeigen, mir das Gluͤck auf eine comiſchpathetiſche Weiſe vor¬ zuruͤhmen, daß ich mich in ſo vortrefflicher Handſchrift verewigt ſahe, und zwar auf eine Art, die keine Druckerpreſſe zu erreichen im Stande ſey, gab abermals Veranlaſſung, die ſchoͤnſten Stunden durchzubringen. Indeſſen war ſein Umgang wegen der ſchoͤnen Kennt¬ niſſe, die er beſaß, doch immer im Stillen lehrreich, und weil er mein unruhiges, hefti¬ ges Weſen zu daͤmpfen wußte, auch im ſitt¬ lichen Sinne fuͤr mich ganz heilſam. Auch hatte er einen ganz beſonderen Widerwillen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/211
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/211>, abgerufen am 21.11.2024.