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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Scheingestalten waren; so verwünschte ich den
gesammten Olymp, warf das ganze mythi¬
sche Pantheon weg, und seit jener Zeit sind
Amor und Luna die einzigen Gottheiten, die
in meinen kleinen Gedichten allenfalls auf¬
treten.

Unter den Personen, welche sich Behrisch
zu Zielscheiben seines Witzes erlesen hatte,
stand gerade Clodius oben an; auch war es
nicht schwer, ihm eine comische Seite abzu¬
gewinnen. Als eine kleine, etwas starke, ge¬
drängte Figur war er in seinen Bewegungen
heftig, etwas fahrig in seinen Aeußerungen
und unstät in seinem Betragen. Durch alles
dieß unterschied er sich von seinen Mitbür¬
gern, die ihn jedoch, wegen seiner guten Ei¬
genschaften und der schönen Hoffnungen die
er gab, recht gern gelten ließen.

Man übertrug ihm gewöhnlich die Gedich¬
te, welche sich bey feyerlichen Gelegenheiten

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Scheingeſtalten waren; ſo verwuͤnſchte ich den
geſammten Olymp, warf das ganze mythi¬
ſche Pantheon weg, und ſeit jener Zeit ſind
Amor und Luna die einzigen Gottheiten, die
in meinen kleinen Gedichten allenfalls auf¬
treten.

Unter den Perſonen, welche ſich Behriſch
zu Zielſcheiben ſeines Witzes erleſen hatte,
ſtand gerade Clodius oben an; auch war es
nicht ſchwer, ihm eine comiſche Seite abzu¬
gewinnen. Als eine kleine, etwas ſtarke, ge¬
draͤngte Figur war er in ſeinen Bewegungen
heftig, etwas fahrig in ſeinen Aeußerungen
und unſtaͤt in ſeinem Betragen. Durch alles
dieß unterſchied er ſich von ſeinen Mitbuͤr¬
gern, die ihn jedoch, wegen ſeiner guten Ei¬
genſchaften und der ſchoͤnen Hoffnungen die
er gab, recht gern gelten ließen.

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[211/0219] Scheingeſtalten waren; ſo verwuͤnſchte ich den geſammten Olymp, warf das ganze mythi¬ ſche Pantheon weg, und ſeit jener Zeit ſind Amor und Luna die einzigen Gottheiten, die in meinen kleinen Gedichten allenfalls auf¬ treten. Unter den Perſonen, welche ſich Behriſch zu Zielſcheiben ſeines Witzes erleſen hatte, ſtand gerade Clodius oben an; auch war es nicht ſchwer, ihm eine comiſche Seite abzu¬ gewinnen. Als eine kleine, etwas ſtarke, ge¬ draͤngte Figur war er in ſeinen Bewegungen heftig, etwas fahrig in ſeinen Aeußerungen und unſtaͤt in ſeinem Betragen. Durch alles dieß unterſchied er ſich von ſeinen Mitbuͤr¬ gern, die ihn jedoch, wegen ſeiner guten Ei¬ genſchaften und der ſchoͤnen Hoffnungen die er gab, recht gern gelten ließen. Man uͤbertrug ihm gewoͤhnlich die Gedich¬ te, welche ſich bey feyerlichen Gelegenheiten 14 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/219>, abgerufen am 21.11.2024.