nothwendig machten. Er folgte in der soge¬ nannten Ode der Art, deren sich Rammler bediente, den sie aber auch ganz allein kleide¬ te. Clodius aber hatte sich als Nachahmer besonders die fremden Worte gemerkt, wo¬ durch jene Rammlerschen Gedichte mit einem majestätischen Pompe auftreten, der, weil er der Größe seines Gegenstandes und der übri¬ gen poetischen Behandlung gemäß ist, auf Ohr, Gemüth und Einbildungskraft eine sehr gute Wirkung thut. Bey Clodius hingegen erschienen diese Ausdrücke fremdartig, indem seine Poesie übrigens nicht geeignet war, den Geist auf irgend eine Weise zu erheben.
Solche Gedichte mußten wir nun oft schön gedruckt und höchlich gelobt vor uns sehen, und wir fanden es höchst anstößig, daß er, der uns die heydnischen Götter verkümmert hatte, sich nun eine andere Leiter auf den Parnaß aus griechischen und römischen Wort¬ sprossen zusammenzimmern wollte. Diese oft
nothwendig machten. Er folgte in der ſoge¬ nannten Ode der Art, deren ſich Rammler bediente, den ſie aber auch ganz allein kleide¬ te. Clodius aber hatte ſich als Nachahmer beſonders die fremden Worte gemerkt, wo¬ durch jene Rammlerſchen Gedichte mit einem majeſtaͤtiſchen Pompe auftreten, der, weil er der Groͤße ſeines Gegenſtandes und der uͤbri¬ gen poetiſchen Behandlung gemaͤß iſt, auf Ohr, Gemuͤth und Einbildungskraft eine ſehr gute Wirkung thut. Bey Clodius hingegen erſchienen dieſe Ausdruͤcke fremdartig, indem ſeine Poeſie uͤbrigens nicht geeignet war, den Geiſt auf irgend eine Weiſe zu erheben.
Solche Gedichte mußten wir nun oft ſchoͤn gedruckt und hoͤchlich gelobt vor uns ſehen, und wir fanden es hoͤchſt anſtoͤßig, daß er, der uns die heydniſchen Goͤtter verkuͤmmert hatte, ſich nun eine andere Leiter auf den Parnaß aus griechiſchen und roͤmiſchen Wort¬ ſproſſen zuſammenzimmern wollte. Dieſe oft
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[212/0220]
nothwendig machten. Er folgte in der ſoge¬
nannten Ode der Art, deren ſich Rammler
bediente, den ſie aber auch ganz allein kleide¬
te. Clodius aber hatte ſich als Nachahmer
beſonders die fremden Worte gemerkt, wo¬
durch jene Rammlerſchen Gedichte mit einem
majeſtaͤtiſchen Pompe auftreten, der, weil er
der Groͤße ſeines Gegenſtandes und der uͤbri¬
gen poetiſchen Behandlung gemaͤß iſt, auf
Ohr, Gemuͤth und Einbildungskraft eine ſehr
gute Wirkung thut. Bey Clodius hingegen
erſchienen dieſe Ausdruͤcke fremdartig, indem
ſeine Poeſie uͤbrigens nicht geeignet war, den
Geiſt auf irgend eine Weiſe zu erheben.
Solche Gedichte mußten wir nun oft ſchoͤn
gedruckt und hoͤchlich gelobt vor uns ſehen,
und wir fanden es hoͤchſt anſtoͤßig, daß er,
der uns die heydniſchen Goͤtter verkuͤmmert
hatte, ſich nun eine andere Leiter auf den
Parnaß aus griechiſchen und roͤmiſchen Wort¬
ſproſſen zuſammenzimmern wollte. Dieſe oft
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/220>, abgerufen am 16.02.2025.
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