nichts hinter sich hätten. Er entfernte sich ungern und kam einigemal wieder, ermahnte die Zuschauer ernstlich, sich an seine Warnung zu kehren und die Augen zuzumachen, erin¬ nerte sie, wie er immer ihr Freund gewesen und es gut mit ihnen gemeynt, und was der¬ gleichen Dinge mehr waren. Dieser Prolog wurde auf der Stelle von Freund Horn im Zimmer gespielt, doch blieb der Spaß ganz unter uns, es ward nicht einmal eine Ab¬ schrift genommen und das Papier verlor sich bald. Horn jedoch, der den Arlekin ganz ar¬ tig vorgestellt hatte, ließ sich's einfallen, mein Gedicht an Hendel um mehrere Verse zu er¬ weitern und es zunächst auf den Medon zu beziehen. Er las es uns vor, und wir konn¬ ten keine Freude daran haben, weil wir die Zusätze nicht eben geistreich fanden, und das erste, in einem ganz anderen Sinn geschrie¬ bene Gedicht uns entstellt vorkam. Der Freund, unzufrieden über unsere Gleichgültig¬ keit, ja unseren Tadel, mochte es Anderen
nichts hinter ſich haͤtten. Er entfernte ſich ungern und kam einigemal wieder, ermahnte die Zuſchauer ernſtlich, ſich an ſeine Warnung zu kehren und die Augen zuzumachen, erin¬ nerte ſie, wie er immer ihr Freund geweſen und es gut mit ihnen gemeynt, und was der¬ gleichen Dinge mehr waren. Dieſer Prolog wurde auf der Stelle von Freund Horn im Zimmer geſpielt, doch blieb der Spaß ganz unter uns, es ward nicht einmal eine Ab¬ ſchrift genommen und das Papier verlor ſich bald. Horn jedoch, der den Arlekin ganz ar¬ tig vorgeſtellt hatte, ließ ſich's einfallen, mein Gedicht an Hendel um mehrere Verſe zu er¬ weitern und es zunaͤchſt auf den Medon zu beziehen. Er las es uns vor, und wir konn¬ ten keine Freude daran haben, weil wir die Zuſaͤtze nicht eben geiſtreich fanden, und das erſte, in einem ganz anderen Sinn geſchrie¬ bene Gedicht uns entſtellt vorkam. Der Freund, unzufrieden uͤber unſere Gleichguͤltig¬ keit, ja unſeren Tadel, mochte es Anderen
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nichts hinter ſich haͤtten. Er entfernte ſich
ungern und kam einigemal wieder, ermahnte
die Zuſchauer ernſtlich, ſich an ſeine Warnung
zu kehren und die Augen zuzumachen, erin¬
nerte ſie, wie er immer ihr Freund geweſen
und es gut mit ihnen gemeynt, und was der¬
gleichen Dinge mehr waren. Dieſer Prolog
wurde auf der Stelle von Freund Horn im
Zimmer geſpielt, doch blieb der Spaß ganz
unter uns, es ward nicht einmal eine Ab¬
ſchrift genommen und das Papier verlor ſich
bald. Horn jedoch, der den Arlekin ganz ar¬
tig vorgeſtellt hatte, ließ ſich's einfallen, mein
Gedicht an Hendel um mehrere Verſe zu er¬
weitern und es zunaͤchſt auf den Medon zu
beziehen. Er las es uns vor, und wir konn¬
ten keine Freude daran haben, weil wir die
Zuſaͤtze nicht eben geiſtreich fanden, und das
erſte, in einem ganz anderen Sinn geſchrie¬
bene Gedicht uns entſtellt vorkam. Der
Freund, unzufrieden uͤber unſere Gleichguͤltig¬
keit, ja unſeren Tadel, mochte es Anderen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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