Abends, wo wir sehr vergnügt zusammen wa¬ ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬ zulassen. Mit dem Schlage Zehn stand jener auf und empfahl sich. Behrisch rief ihn an und bat, einen Augenblick zu warten, weil er gleich mit gehen wolle. Nun begann er auf die anmuthigste Weise erst nach seinem Degen zu suchen, der doch ganz vor den Au¬ gen stand, und gebärdete sich beym Anschnal¬ len desselben so ungeschickt, daß er damit nie¬ mals zu Stande kommen konnte. Er machte es auch Anfangs so natürlich, daß Niemand ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß der Degen bald auf die rechte Seite, bald zwischen die Beine kam, so entstand ein all¬ gemeines Gelächter, in das der Forteilende, welcher gleichfalls ein lustiger Geselle war, mit einstimmte, und Behrisch so lange gewähren ließ, bis die Schäferstunde vorüber war, da denn nun erst eine gemeinsame Lust und ver¬
Abends, wo wir ſehr vergnuͤgt zuſammen wa¬ ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬ zulaſſen. Mit dem Schlage Zehn ſtand jener auf und empfahl ſich. Behriſch rief ihn an und bat, einen Augenblick zu warten, weil er gleich mit gehen wolle. Nun begann er auf die anmuthigſte Weiſe erſt nach ſeinem Degen zu ſuchen, der doch ganz vor den Au¬ gen ſtand, und gebaͤrdete ſich beym Anſchnal¬ len deſſelben ſo ungeſchickt, daß er damit nie¬ mals zu Stande kommen konnte. Er machte es auch Anfangs ſo natuͤrlich, daß Niemand ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß der Degen bald auf die rechte Seite, bald zwiſchen die Beine kam, ſo entſtand ein all¬ gemeines Gelaͤchter, in das der Forteilende, welcher gleichfalls ein luſtiger Geſelle war, mit einſtimmte, und Behriſch ſo lange gewaͤhren ließ, bis die Schaͤferſtunde voruͤber war, da denn nun erſt eine gemeinſame Luſt und ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="220"/>
Abends, wo wir ſehr vergnuͤgt zuſammen wa¬<lb/>
ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬<lb/>
zulaſſen. Mit dem Schlage Zehn ſtand jener<lb/>
auf und empfahl ſich. Behriſch rief ihn an<lb/>
und bat, einen Augenblick zu warten, weil<lb/>
er gleich mit gehen wolle. Nun begann er<lb/>
auf die anmuthigſte Weiſe erſt nach ſeinem<lb/>
Degen zu ſuchen, der doch ganz vor den Au¬<lb/>
gen ſtand, und gebaͤrdete ſich beym Anſchnal¬<lb/>
len deſſelben ſo ungeſchickt, daß er damit nie¬<lb/>
mals zu Stande kommen konnte. Er machte<lb/>
es auch Anfangs ſo natuͤrlich, daß Niemand<lb/>
ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das<lb/>
Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß<lb/>
der Degen bald auf die rechte Seite, bald<lb/>
zwiſchen die Beine kam, ſo entſtand ein all¬<lb/>
gemeines Gelaͤchter, in das der Forteilende,<lb/>
welcher gleichfalls ein luſtiger Geſelle war, mit<lb/>
einſtimmte, und Behriſch ſo lange gewaͤhren<lb/>
ließ, bis die Schaͤferſtunde voruͤber war, da<lb/>
denn nun erſt eine gemeinſame Luſt und ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0228]
Abends, wo wir ſehr vergnuͤgt zuſammen wa¬
ren, im Stillen vor, ihn dießmal nicht weg¬
zulaſſen. Mit dem Schlage Zehn ſtand jener
auf und empfahl ſich. Behriſch rief ihn an
und bat, einen Augenblick zu warten, weil
er gleich mit gehen wolle. Nun begann er
auf die anmuthigſte Weiſe erſt nach ſeinem
Degen zu ſuchen, der doch ganz vor den Au¬
gen ſtand, und gebaͤrdete ſich beym Anſchnal¬
len deſſelben ſo ungeſchickt, daß er damit nie¬
mals zu Stande kommen konnte. Er machte
es auch Anfangs ſo natuͤrlich, daß Niemand
ein Arges dabey hatte. Als er aber, um das
Thema zu variiren, zuletzt weiter ging, daß
der Degen bald auf die rechte Seite, bald
zwiſchen die Beine kam, ſo entſtand ein all¬
gemeines Gelaͤchter, in das der Forteilende,
welcher gleichfalls ein luſtiger Geſelle war, mit
einſtimmte, und Behriſch ſo lange gewaͤhren
ließ, bis die Schaͤferſtunde voruͤber war, da
denn nun erſt eine gemeinſame Luſt und ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/228>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.