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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Diese köstlichen, Geist und Sinn zur
wahren Kunst vorbereitenden Erfahrungen
wurden jedoch durch einen der traurigsten An¬
blicke unterbrochen und gedämpft, durch den
zerstörten und verödeten Zustand so mancher
Straße Dresdens, durch die ich meinen Weg
nahm. Die Mohrenstraße im Schutt, so wie
die Kreuzkirche mit ihrem geborstenen Thurm
drückten sich mir tief ein und stehen noch wie
ein dunkler Fleck in meiner Einbildungskraft.
Von der Kuppel der Frauenkirche sah ich diese
leidigen Trümmern zwischen die schöne städti¬
sche Ordnung hineingesät; da rühmte mir der
Küster die Kunst des Baumeisters, welcher
Kirche und Kuppel auf einen so unerwünsch¬
ten Fall schon eingerichtet und bombenfest er¬
baut hatte. Der gute Sacristan deutete mir
alsdann auf Ruinen nach allen Seiten und
sagte bedenklich laconisch: Das hat der Feind
gethan!

Dieſe koͤſtlichen, Geiſt und Sinn zur
wahren Kunſt vorbereitenden Erfahrungen
wurden jedoch durch einen der traurigſten An¬
blicke unterbrochen und gedaͤmpft, durch den
zerſtoͤrten und veroͤdeten Zuſtand ſo mancher
Straße Dresdens, durch die ich meinen Weg
nahm. Die Mohrenſtraße im Schutt, ſo wie
die Kreuzkirche mit ihrem geborſtenen Thurm
druͤckten ſich mir tief ein und ſtehen noch wie
ein dunkler Fleck in meiner Einbildungskraft.
Von der Kuppel der Frauenkirche ſah ich dieſe
leidigen Truͤmmern zwiſchen die ſchoͤne ſtaͤdti¬
ſche Ordnung hineingeſaͤt; da ruͤhmte mir der
Kuͤſter die Kunſt des Baumeiſters, welcher
Kirche und Kuppel auf einen ſo unerwuͤnſch¬
ten Fall ſchon eingerichtet und bombenfeſt er¬
baut hatte. Der gute Sacriſtan deutete mir
alsdann auf Ruinen nach allen Seiten und
ſagte bedenklich laconiſch: Das hat der Feind
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[267/0275] Dieſe koͤſtlichen, Geiſt und Sinn zur wahren Kunſt vorbereitenden Erfahrungen wurden jedoch durch einen der traurigſten An¬ blicke unterbrochen und gedaͤmpft, durch den zerſtoͤrten und veroͤdeten Zuſtand ſo mancher Straße Dresdens, durch die ich meinen Weg nahm. Die Mohrenſtraße im Schutt, ſo wie die Kreuzkirche mit ihrem geborſtenen Thurm druͤckten ſich mir tief ein und ſtehen noch wie ein dunkler Fleck in meiner Einbildungskraft. Von der Kuppel der Frauenkirche ſah ich dieſe leidigen Truͤmmern zwiſchen die ſchoͤne ſtaͤdti¬ ſche Ordnung hineingeſaͤt; da ruͤhmte mir der Kuͤſter die Kunſt des Baumeiſters, welcher Kirche und Kuppel auf einen ſo unerwuͤnſch¬ ten Fall ſchon eingerichtet und bombenfeſt er¬ baut hatte. Der gute Sacriſtan deutete mir alsdann auf Ruinen nach allen Seiten und ſagte bedenklich laconiſch: Das hat der Feind gethan!

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/275>, abgerufen am 21.11.2024.