Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Da nun aber gewöhnlich, wenn unser
Seelenconcent am geistigsten gestimmt ist, die
rohen, kreischenden Töne des Weltwesens am
gewaltsamsten und ungestümsten einfallen, und
der in Geheim immer fortwaltende Contrast,
auf einmal hervortretend, nur desto empfind¬
licher wirkt, so sollte ich auch nicht aus der
peripatetischen Schule meines Langers entlas¬
sen werden, ohne vorher noch ein, für Leip¬
zig wenigstens, seltsames Ereigniß erlebt zu
haben, einen Tumult nämlich, den die Stu¬
direnden erregten und zwar aus folgendem
Anlasse. Mit den Stadtsoldaten hatten sich
junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne
Thätlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬
rende verbanden sich, die zugefügten Beleidi¬
gungen zu rächen. Die Soldaten widerstan¬
den hartnäckig und der Vortheil war nicht
auf der Seite der sehr unzufriedenen acade¬
mischen Bürger. Nun ward erzählt, es hät¬
ten angesehene Personen wegen tapferen Wi¬
derstands die Obsiegenden gelobt und belohnt.

Da nun aber gewoͤhnlich, wenn unſer
Seelenconcent am geiſtigſten geſtimmt iſt, die
rohen, kreiſchenden Toͤne des Weltweſens am
gewaltſamſten und ungeſtuͤmſten einfallen, und
der in Geheim immer fortwaltende Contraſt,
auf einmal hervortretend, nur deſto empfind¬
licher wirkt, ſo ſollte ich auch nicht aus der
peripatetiſchen Schule meines Langers entlaſ¬
ſen werden, ohne vorher noch ein, fuͤr Leip¬
zig wenigſtens, ſeltſames Ereigniß erlebt zu
haben, einen Tumult naͤmlich, den die Stu¬
direnden erregten und zwar aus folgendem
Anlaſſe. Mit den Stadtſoldaten hatten ſich
junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne
Thaͤtlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬
rende verbanden ſich, die zugefuͤgten Beleidi¬
gungen zu raͤchen. Die Soldaten widerſtan¬
den hartnaͤckig und der Vortheil war nicht
auf der Seite der ſehr unzufriedenen acade¬
miſchen Buͤrger. Nun ward erzaͤhlt, es haͤt¬
ten angeſehene Perſonen wegen tapferen Wi¬
derſtands die Obſiegenden gelobt und belohnt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0303" n="295"/>
        <p>Da nun aber gewo&#x0364;hnlich, wenn un&#x017F;er<lb/>
Seelenconcent am gei&#x017F;tig&#x017F;ten ge&#x017F;timmt i&#x017F;t, die<lb/>
rohen, krei&#x017F;chenden To&#x0364;ne des Weltwe&#x017F;ens am<lb/>
gewalt&#x017F;am&#x017F;ten und unge&#x017F;tu&#x0364;m&#x017F;ten einfallen, und<lb/>
der in Geheim immer fortwaltende Contra&#x017F;t,<lb/>
auf einmal hervortretend, nur de&#x017F;to empfind¬<lb/>
licher wirkt, &#x017F;o &#x017F;ollte ich auch nicht aus der<lb/>
peripateti&#x017F;chen Schule meines Langers entla&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en werden, ohne vorher noch ein, fu&#x0364;r Leip¬<lb/>
zig wenig&#x017F;tens, &#x017F;elt&#x017F;ames Ereigniß erlebt zu<lb/>
haben, einen Tumult na&#x0364;mlich, den die Stu¬<lb/>
direnden erregten und zwar aus folgendem<lb/>
Anla&#x017F;&#x017F;e. Mit den Stadt&#x017F;oldaten hatten &#x017F;ich<lb/>
junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne<lb/>
Tha&#x0364;tlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬<lb/>
rende verbanden &#x017F;ich, die zugefu&#x0364;gten Beleidi¬<lb/>
gungen zu ra&#x0364;chen. Die Soldaten wider&#x017F;tan¬<lb/>
den hartna&#x0364;ckig und der Vortheil war nicht<lb/>
auf der Seite der &#x017F;ehr unzufriedenen acade¬<lb/>
mi&#x017F;chen Bu&#x0364;rger. Nun ward erza&#x0364;hlt, es ha&#x0364;<lb/>
ten ange&#x017F;ehene Per&#x017F;onen wegen tapferen Wi¬<lb/>
der&#x017F;tands die Ob&#x017F;iegenden gelobt und belohnt.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0303] Da nun aber gewoͤhnlich, wenn unſer Seelenconcent am geiſtigſten geſtimmt iſt, die rohen, kreiſchenden Toͤne des Weltweſens am gewaltſamſten und ungeſtuͤmſten einfallen, und der in Geheim immer fortwaltende Contraſt, auf einmal hervortretend, nur deſto empfind¬ licher wirkt, ſo ſollte ich auch nicht aus der peripatetiſchen Schule meines Langers entlaſ¬ ſen werden, ohne vorher noch ein, fuͤr Leip¬ zig wenigſtens, ſeltſames Ereigniß erlebt zu haben, einen Tumult naͤmlich, den die Stu¬ direnden erregten und zwar aus folgendem Anlaſſe. Mit den Stadtſoldaten hatten ſich junge Leute veruneinigt, es war nicht ohne Thaͤtlichkeiten abgelaufen. Mehrere Studi¬ rende verbanden ſich, die zugefuͤgten Beleidi¬ gungen zu raͤchen. Die Soldaten widerſtan¬ den hartnaͤckig und der Vortheil war nicht auf der Seite der ſehr unzufriedenen acade¬ miſchen Buͤrger. Nun ward erzaͤhlt, es haͤt¬ ten angeſehene Perſonen wegen tapferen Wi¬ derſtands die Obſiegenden gelobt und belohnt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/303
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/303>, abgerufen am 20.05.2024.