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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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that er nicht so geheim; aber von jenem wich¬
tigen Salze, das nur in den größten Gefah¬
ren angewendet werden durfte, war nur unter
den Gläubigen die Rede, ob es gleich noch
Niemand gesehen, oder die Wirkung davon
gespürt hatte. Um den Glauben an die Mög¬
lichkeit eines solchen Universalmittels zu erregen
und zu stärken, hatte der Arzt seinen Patien¬
ten, wo er nur einige Empfänglichkeit fand,
gewisse mystische chemisch-alchemische Bücher
empfohlen, und zu verstehen gegeben, daß man
durch eignes Studium derselben gar wohl da¬
hin gelangen könne, jenes Kleinod sich selbst zu
erwerben; welches um so nothwendiger sey,
als die Bereitung sich sowohl aus physischen,
als besonders aus moralischen Gründen nicht,
wohl überliefern lasse, ja daß man, um jenes
große Wert einzusehen, hervorzubringen und
zu benutzen, die Geheimnisse der Natur im
Zusammenhang kennen müsse, weil es nichts
Einzelnes sondern etwas Universelles sey, und
auch wohl gar unter verschiedenen Formen und

that er nicht ſo geheim; aber von jenem wich¬
tigen Salze, das nur in den groͤßten Gefah¬
ren angewendet werden durfte, war nur unter
den Glaͤubigen die Rede, ob es gleich noch
Niemand geſehen, oder die Wirkung davon
geſpuͤrt hatte. Um den Glauben an die Moͤg¬
lichkeit eines ſolchen Univerſalmittels zu erregen
und zu ſtaͤrken, hatte der Arzt ſeinen Patien¬
ten, wo er nur einige Empfaͤnglichkeit fand,
gewiſſe myſtiſche chemiſch-alchemiſche Buͤcher
empfohlen, und zu verſtehen gegeben, daß man
durch eignes Studium derſelben gar wohl da¬
hin gelangen koͤnne, jenes Kleinod ſich ſelbſt zu
erwerben; welches um ſo nothwendiger ſey,
als die Bereitung ſich ſowohl aus phyſiſchen,
als beſonders aus moraliſchen Gruͤnden nicht,
wohl uͤberliefern laſſe, ja daß man, um jenes
große Wert einzuſehen, hervorzubringen und
zu benutzen, die Geheimniſſe der Natur im
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[308/0316] that er nicht ſo geheim; aber von jenem wich¬ tigen Salze, das nur in den groͤßten Gefah¬ ren angewendet werden durfte, war nur unter den Glaͤubigen die Rede, ob es gleich noch Niemand geſehen, oder die Wirkung davon geſpuͤrt hatte. Um den Glauben an die Moͤg¬ lichkeit eines ſolchen Univerſalmittels zu erregen und zu ſtaͤrken, hatte der Arzt ſeinen Patien¬ ten, wo er nur einige Empfaͤnglichkeit fand, gewiſſe myſtiſche chemiſch-alchemiſche Buͤcher empfohlen, und zu verſtehen gegeben, daß man durch eignes Studium derſelben gar wohl da¬ hin gelangen koͤnne, jenes Kleinod ſich ſelbſt zu erwerben; welches um ſo nothwendiger ſey, als die Bereitung ſich ſowohl aus phyſiſchen, als beſonders aus moraliſchen Gruͤnden nicht, wohl uͤberliefern laſſe, ja daß man, um jenes große Wert einzuſehen, hervorzubringen und zu benutzen, die Geheimniſſe der Natur im Zuſammenhang kennen muͤſſe, weil es nichts Einzelnes ſondern etwas Univerſelles ſey, und auch wohl gar unter verſchiedenen Formen und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/316>, abgerufen am 20.05.2024.