Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

die Laune des Verliebten und die Mitschuldi¬
gen, an welchem letzteren ich immer fort mit
besonderer Liebe besserte, und da das Stück
schon fertig war, die Exposition nochmals
durcharbeitete, um sie zugleich bewegter und
klarer zu machen. Lessing hatte in den zwey
ersten Acten der Minna ein unerreichbares
Muster aufgestellt, wie ein Drama zu exponi¬
ren sey, und es war mir nichts angelegner,
als in seinen Sinn und seine Absichten einzu¬
dringen.

Umständlich genug ist zwar schon die Er¬
zählung von dem was mich in diesen Tagen
berührt, aufgeregt und beschäftigt; allein ich
muß demohngeachtet wieder zu jenem Interesse
zurückkehren, das mir die übersinnlichen Din¬
ge eingeflößt hatten, von denen ich ein für
allemal, in sofern es möglich wäre, mir ei¬
nen Begriff zu bilden unternahm.

Einen großen Einfluß erfuhr ich dabey
von einem wichtigen Buche, das mir in die
Hände gerieth, es war Arnolds Kirchen¬

die Laune des Verliebten und die Mitſchuldi¬
gen, an welchem letzteren ich immer fort mit
beſonderer Liebe beſſerte, und da das Stuͤck
ſchon fertig war, die Expoſition nochmals
durcharbeitete, um ſie zugleich bewegter und
klarer zu machen. Leſſing hatte in den zwey
erſten Acten der Minna ein unerreichbares
Muſter aufgeſtellt, wie ein Drama zu exponi¬
ren ſey, und es war mir nichts angelegner,
als in ſeinen Sinn und ſeine Abſichten einzu¬
dringen.

Umſtaͤndlich genug iſt zwar ſchon die Er¬
zaͤhlung von dem was mich in dieſen Tagen
beruͤhrt, aufgeregt und beſchaͤftigt; allein ich
muß demohngeachtet wieder zu jenem Intereſſe
zuruͤckkehren, das mir die uͤberſinnlichen Din¬
ge eingefloͤßt hatten, von denen ich ein fuͤr
allemal, in ſofern es moͤglich waͤre, mir ei¬
nen Begriff zu bilden unternahm.

Einen großen Einfluß erfuhr ich dabey
von einem wichtigen Buche, das mir in die
Haͤnde gerieth, es war Arnolds Kirchen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="329"/>
die Laune des Verliebten und die Mit&#x017F;chuldi¬<lb/>
gen, an welchem letzteren ich immer fort mit<lb/>
be&#x017F;onderer Liebe be&#x017F;&#x017F;erte, und da das Stu&#x0364;ck<lb/>
&#x017F;chon fertig war, die Expo&#x017F;ition nochmals<lb/>
durcharbeitete, um &#x017F;ie zugleich bewegter und<lb/>
klarer zu machen. Le&#x017F;&#x017F;ing hatte in den zwey<lb/>
er&#x017F;ten Acten der Minna ein unerreichbares<lb/>
Mu&#x017F;ter aufge&#x017F;tellt, wie ein Drama zu exponi¬<lb/>
ren &#x017F;ey, und es war mir nichts angelegner,<lb/>
als in &#x017F;einen Sinn und &#x017F;eine Ab&#x017F;ichten einzu¬<lb/>
dringen.</p><lb/>
        <p>Um&#x017F;ta&#x0364;ndlich genug i&#x017F;t zwar &#x017F;chon die Er¬<lb/>
za&#x0364;hlung von dem was mich in die&#x017F;en Tagen<lb/>
beru&#x0364;hrt, aufgeregt und be&#x017F;cha&#x0364;ftigt; allein ich<lb/>
muß demohngeachtet wieder zu jenem Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zuru&#x0364;ckkehren, das mir die u&#x0364;ber&#x017F;innlichen Din¬<lb/>
ge eingeflo&#x0364;ßt hatten, von denen ich ein fu&#x0364;r<lb/>
allemal, in &#x017F;ofern es mo&#x0364;glich wa&#x0364;re, mir ei¬<lb/>
nen Begriff zu bilden unternahm.</p><lb/>
        <p>Einen großen Einfluß erfuhr ich dabey<lb/>
von einem wichtigen Buche, das mir in die<lb/>
Ha&#x0364;nde gerieth, es war <hi rendition="#g">Arnolds</hi> Kirchen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0337] die Laune des Verliebten und die Mitſchuldi¬ gen, an welchem letzteren ich immer fort mit beſonderer Liebe beſſerte, und da das Stuͤck ſchon fertig war, die Expoſition nochmals durcharbeitete, um ſie zugleich bewegter und klarer zu machen. Leſſing hatte in den zwey erſten Acten der Minna ein unerreichbares Muſter aufgeſtellt, wie ein Drama zu exponi¬ ren ſey, und es war mir nichts angelegner, als in ſeinen Sinn und ſeine Abſichten einzu¬ dringen. Umſtaͤndlich genug iſt zwar ſchon die Er¬ zaͤhlung von dem was mich in dieſen Tagen beruͤhrt, aufgeregt und beſchaͤftigt; allein ich muß demohngeachtet wieder zu jenem Intereſſe zuruͤckkehren, das mir die uͤberſinnlichen Din¬ ge eingefloͤßt hatten, von denen ich ein fuͤr allemal, in ſofern es moͤglich waͤre, mir ei¬ nen Begriff zu bilden unternahm. Einen großen Einfluß erfuhr ich dabey von einem wichtigen Buche, das mir in die Haͤnde gerieth, es war Arnolds Kirchen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/337
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/337>, abgerufen am 20.05.2024.